Die Bühne gehört den Wolken

Südpol, Kriens, 18.04.2018: Ein leises Zischen kündigt jeweils eine neue Wolke an. So wie Wolken aus unendlich vielen Wasserstoffmolekülen aufgebaut sind, besteht die neuste Produktion von Ultra aus mehreren Fragmenten: Bild, Text, Sound.

Bilder: Zvonimir Pisonic

Das letzte Stück von Ultra aus Luzern, Bern und Genf hiess «Wind» und war für die vier Theaterschaffenden die ideale Metapher, um Einsamkeit darzustellen. Dass sich die neue Produktion «Wolken» wieder im Bereich der Meteorologie bewegt, ist kein Zufall. Wetterphänomene seien gute Bilder, um etwas Anderes zu zeigen – hier das Vergängliche. Martin Bieri, Orpheo Carcano, Thomas Köppel und Nina Langensand (an jener Aufführung vertreten durch Evelyne Gugolz, da im Mutterschaftsurlaub) möchten die Sinne der Zuschauer*innen öffnen, damit diese sich auf die geschaffene Atmosphäre einlassen können. Ein Ziel ist das Sensibilisieren der Wahrnehmung für das flüchtige Moment, welches die Erscheinung einer Wolke charakterisiert. 

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Die Wolkenproduktion schürt in der Geschichte des Theaters schon lange Faszination. Der italienische Architekt Nicola Sabbattini soll 1638 eine Theatermaschine entwickelt haben, mit der die Wolke als profane Tatsache der Natur auf der Bühne sichtbar wurde.  Ultra haben nun ebenfalls Versuche gestartet, eine Wolke festzuhalten. Mit Unterstützung der Transsolar Energietechnik GmbH in Deutschland entwickelten die Theaterschaffenden einen Kubus aus Metall und Glas, mit dem das Naturphänomen manipuliert werden kann. Es scheint beinahe so, als ob sie dabei die Wolken zu dressieren gelernt hätten. 

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Diese Wolkenmaschine bildet das Kernstück der Performance und besticht durch ihre cleane Laborästhetik. Das Bühnenbild ist schlicht gehalten, da nichts von der Schönheit des Phänomens Wolke ablenken soll. Die Wolken, die nacheinander entstehen und wieder verschwinden, füllen das Bühnenbild auf subtile Art aus. Es gibt neben dieser starken visuellen Ebene weitere Schichten, die sich gemeinsam zu einer Atmosphäre verweben. Die dunkle und klare Stimme der Evelyne Gugolz begleitet durch verschiedene Wolkenbildungen und hält das Publikum gleichzeitig davon ab, komplett in diese abzutauchen. In Wechselwirkung mit den von Orpheo Carcano (Synthesizer, Field Recordings) und Thomas Köppel (Elektronik) erzeugten Klängen ergibt sich eine Spannung, die die Zuhörerschaft aufmerksam bleiben lässt.

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Gugolz’ Stimme wird von dieser Sound-Ebene unterschiedlich behandelt: mystisch, durch Rhythmen getrieben. Während sie aus dem «Kriegs-Wolken Tagebuch» von Arnold Schönberg vorliest, erhält sie zudem gar eine musikalische Färbung. Alle Geräusche, die glitschig oder tropfend klingen, sind durch granulare Synthese entstanden: Klangfragmente werden mithilfe eines Synthesizers durch dieses Audioverfahren tausendfach zerstückelt, neu zusammengewürfelt und verdichtet, bis es auf der Bühne scheinbar regnet – analog einer Wolkenentstehung. Zusammen mit dem Bühnenbild und dem Licht von Mirjam Berger werden die gelesenen Texte und Gedichte, welche mit zwei Ausnahmen aus der Feder von Martin Bieri stammen, visualisiert. Bieri schreibt unter anderem über wissenschaftliche Wolkenversuche, die heutzutage in Deutschland durchgeführt werden, um diese mit der Hoffnung zu erforschen, unsere Welt und den Klimawandel besser zu verstehen. Als Publikum wird man mit ausgewählten Fakten und Motiven aus der Kunstgeschichte berieselt und ist gleichzeitig auch Teil des Stücks. Die Crew möchten die Zuschauer*innen aktivieren, ohne die respektvolle Distanz abzubauen.

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Zum Schluss interpretieren Ultra die Wolke in ihrer Erscheinungsform neu. Und zwar eckig, analog einem Smartphone, als eine Cloud einer digitalen Welt, die wir selber erschaffen haben, und die uns ab und an etwas ungreifbar erscheint. Man wird von Wolken überrollt und von ihrer bekanntesten Eigenschaft überrascht. Diejenigen, die aufgrund der Science-Fiction-Szenerie eine rasante Zaubershow erwarten, werden enttäuscht. Wer sich aber der subtilen Illusion hingeben kann, hat die Chance, vielleicht ein kleines Stück der Wolke zu erwischen, bevor diese wieder verschwunden ist.

 

Weitere Aufführungen: 19., 20., 21. April, jeweils 20 Uhr, Südpol, Kriens