Der verzweifelte Mut der Hoffnung der Märlifiguren

Der Countdown läuft und die Zeit unerbittlich ab und davon. Lange geht’s bekanntlich nicht mehr bis zum Weltuntergang. In Horw versammeln sich noch einmal Märlifiguren. Vielleicht können sie die Welt noch retten. Nur vielleicht. Sehr vielleicht.

Zwischenbühne Horw, Do, 6.12.2012: Es ist kein Kongress der Tiere. Auch nicht jener der Pinguine. Märlifiguren (gut, darunter immerhin auch etliche tierische) finden sich hier zusammen angesichts des kommenden Weltuntergangs according to the Mayakalender (wir erinnern uns: Am 21. Dez. ist es soweit, dann ist fertig lustig). Last Chance sozusagen.

Wer da beisammen ist im als Revue getarnten Weltuntergangskongress (weltweit übertragen für gut 8 Milliarden Menschen), sind Märlifiguren aus vergangenen Aufführungen in der Zwischenbühne Horw. Da wird ja jeweils gerne auch gesungen zu mitunter berückenden Songs. So ist’s zum Teil eine Art Best-of der musikalischen Art (neu die fünfköpfige Band mit ein paar alten Hasen: tipptopp und überaus kompetent). Andererseits: Es ist ein eigenes, neues Stück. Michael Zezzi gibt den langsam, aber sicher der Verzweiflung nahen Moderator. Denn die Vorschläge der Auftretenden sind freilich, sagen wir: ziemlich ungeeignet bis gänzlich unbrauchbar, Die Welt und die Menschheit sind so eher kaum zu retten. Die Uhr läuft unerbittlich rückwärts dem Ende entgegen. Zwischendurch ist aber auch Zeit für eine – teils echte, teils getürkte – Strassenumfrage auf dem Luzerner Bahnhofplatz sowie für, muss sein, Werbung (apokalyptisches Katzenfutter u.a.). Dann kommen sie mit ihren gut gemeinten Lösungsvorschlägen: Die Piraten Captain Hook und sein Adlat Smee (aus «Peter Pan», 2007) wissen nichts Gescheiteres als: «vor den Bug schiessen». Piraten halt. Nach einer Besinnungspause kehren sie nochmal zurück (siehe weiter unten). Nikki-Tikki («Dominik Dachs und die Katzenpiraten», 1995) rechnet vor, wenn eine vollgefressene Gesamtmenschheit sich nach down under begibt und dort hüpft, dass dann die Welt aus den Fugen und in ein neues Sonnensystem gerät. Popcorn-Fressen als Lösung. Huck Finn (aus «Tom Sawyer», 1999) rollt den Mississippi aus und meint: Hauptsache Wasser. Bücherwurm Don Quijote (2005) ist wieder der entrückte Spinner; er ist gekommen, um von der Liebe (zu Dulcinea) zu künden. Peter Pan ist schnell einmal wieder duss, draussen aus dem Spiel, weil er im Sternenstaub das Heil sieht, untauglich auch dies. Der Zauberer von Oz (2011) häkelt eine Weltrettungsschmusedecke und singt bekenntnishaft, dass eben alles Luft und Biiswind sei und er ja überhaupt nicht zaubern kann. Das wussten wir schon: Er ist ein Plagöri und Loser vor dem Herrn. In guter Erinnerung aus «Dominik Dachs» ist uns der handorgelnde Vagabunden-Otto («ech be blind imfall»). Er schreit nach Bier, hat die Aufgabe falsch bis gar nicht verstanden (weil er die Kongressunterlagen verhühnert hat) und an Ideen eigentlich nichts anzubieten. Dafür singt er den klassischen Biersong. Das mit der Zeit, die eilt, hat Momo (2003) irgendwie nicht wirklich begriffen. Auch sie versagt kläglich. Dann nochmal Hook und Smee. Sie haben inzwischen nicht nur geschlotet, sondern offensichtlich auch gebechert, denn die beiden treten ziemlich besoffen an, um immer noch keine wirkliche Lösung parat zu haben. Dafür singt Hook sein herzergreifendes Lied von Smee als seinem liebsten Feind – «ha di emmer tami gärn gha». Ein Comeback aus «Der Zauberer von Oz» feiern Leu (aka Löi bzw. Lew), Blechmann und Vogelscheuche, die nach wie vor singend meinen, dass es die vereinten Mut, Herz und Verstand schon richten würden. Oder wäre Transfiguration ein Lösungsansatz? «S Läbe isch käs Picknick», da hat Pinocchio (2001) wohl recht. Ob es aber klappt: der Fleischlichkeit zu entsagen und sich ins Geistige zu verwandeln? Ursula Hildebrand hat den Endzeit-Spass inszeniert, den Irene Wespi und Christoph Fellmann ausgeheckt haben. Übrigens: Wer sich vorne an den riesigen Bühnentisch setzt, hat Chancen, das eine oder andere Popcorn zu erhaschen. Insgesamt eine schöne Bescherung, trotz alledem Trost spendend inmitten der apokalyptischen Anwandlungen, mit denen sich die Welt wie die Menschheit konfrontiert sehen. Noch zweimal zu erleben. Dann ist Schluss.

Und wenn sie nicht gestorben sind..., Zwischenbühne Horw, Sa, 8.12., 16.00 und 20.00