Der Sedel-Adventskalender – Tür 20

Jeden Tag ein Blick hinter die Türen des Sedels – Heute: Musiktipps zu Weihnachten

Hier die ausführliche Liste: It’s Christmas and I Wonder Where I AmDudley Moron Kaum jemand hat den eigentlichen Zweck aller Feiertage, nämlich sich aufs Beste zu besaufen, je schöner auf den Punkt gebracht als Dudley Moron. Das Lied basiert auf dem bekannten «Winter Wonderland» und beschreibt eine gar beneidenswerte Sumpftour mit diversen Höhepunkten, zum Beispiel diesem: «Someone caught me dancing with a snowman // Policeman came and put me in his car // He said, ‹Are you drunk?› and I said, ‹No, man // But could you drop me off at the next bar?› Zur Nachahmung dringend empfohlen. White Christmas – Darlene Love Irving Berlin, der grossartige Komponist, der Noten weder schreiben noch lesen konnte, schuf 1941 das ultimative Weihnachtslied; bekannt gemacht wurde es von Bing Crosby. Wir hören allerdings lieber die an Scheusslichkeit kaum zu überbietende Version von Darlene Love, vom unlängst als Mörder verurteilten Phil Spector in seiner Wall-of-Sound-Technik aufgenommen. Sie vertreibt garantiert jeden Rest weihnächtlicher Friedfertigkeit – Wall of Sound muss einen zum Mörder machen. We Three Kings – Mojo Nixon & The Toadliquors Mojo Nixon, ultraschräger Kauboi aus North Carolina, hat mit «Horny Holidays» eine ganze Platte dem Christkindli gewidmet. «We Three Kings», ein klassischer Christmas Carol, kommt hier als wilder Pubrock-Walzer daher, samt orientalisch säuselnder Hammond, die den morgenländischen Hintergrund der Drei Könige illustriert. Auf widerliche Weise läss. Are You Drinkin with Me, Jesus Mojo Nixon and Jello Biafra Und gleich noch einen Schönen von Mojo, den ich sehr verehre. Hier im Duett mit Jello Biafra, dem grossen Dead-Kennedys-Sänger. Er richtet sich an Jesus, den die Ichfigur allerdings nicht mehr ganz klar sieht: «As I nestled on my barstool // I felt your warmness within // I looked down at my pants // That wasn’t warmness // I wet myself again». Weihnachten in köstlicher Verzweiflung, die durch den versöhnlichen Sound des Lieds umso stärker wirkt. Und wenn man schon auf YouTube ist, keinesfalls verpassen: Mojo Nixons «Redneck Rampage». Santa Baby Eartha Kitt In «Santa Baby» äussert Eartha die extravagantesten Wünsche an den Weihnachtsmann, eine Jacht, ein blaues Cabrio, Weihnachtsschmuck von Tiffany … denn sie sei ein so «awful» gutes Mädchen gewesen: «Think of all the fun I’ve missed // Think of all the fellas I haven’t kissed». Das Lied prangt von originellen Reimen, jeder eine Perle für sich, durch den rhythmisch grossartig akzentuierten Gesang zum Glänzen gebracht. Ebenfalls sexy, wenn auch nicht ganz so sehr wie bei Frau Kitt, die Version von Kylie Minoque. Baby, It’s Cold Outside Ella Fitzgerald und Louis Jordan Eines der schönsten je geschriebenen Duette. Er versucht sie mit allen Tricks zu überzeugen, doch bei ihm zu bleiben, schliesslich seis so kalt draussen; sie aber, um ihre Tugend besorgt, meint, sie müsse zur Familie zurück, wankt dann aber immer wieder («well maybe just a cigarette more»). So geht es hin und her, bis sie sich im letzten Refrain darauf einigen, dass das Wetter doch zu garstig ist. Das Lied wurde von Krethi und Plethi gesungen – man gönne sich einen vergnüglichen YouTube-Aufenthalt in Begleitung von zum Beispiel Norah Jones und Willie Nelson oder, sehr lustig, Louis Amstrong und Velma Middleton. Monster’s Holiday Bobby Pickett Bobby Picket hatte zu Halloween 1962 einen grossen Hit mit «Monster Mash» – warum es nicht gleich wieder versuchen, um vom Weihnachtsgeschäft zu profitieren? Also wurde flugs ein neuer Text über eine quasi identische Melodie geschrieben – es reichte immerhin für Platz 30 in den Billboard Charts. Die Weihnachtsfeier des Seemanns Kuttel Daddeldu Joachim Ringelnatz Kein Musikstück, aber durchaus ein Lied, ein wahrer Gassenhauer – Ringelnatz bringt den weihnächtlichen Geist auf den Punkt: «Plötzlich brannte der Weihnachtsbaum // Plötzlich brannte das Sofa und die Tapete // Kam eine Marmorplatte geschwirrt // Rannte der grosse Spiegel gegen den kleinen Wirt // Und die See ging hoch und der Wind wehte.» Überhaupt der Ringelnatz – wer ihn noch nicht kennt, möge das Versäumnis unbedingt nachholen! A Christmas Duel The Hives Feat. Cindy Lauper Die unverwüstliche und allzu oft unterschätzte Cindy Lauper schrieb mit den schwedischen Alternativrockern The Hive eines der bösesten Weihnachtsliedern ever. «I bought no gift this year // And I slept with your sister // I know I should have thought twice // Before I kissed her.» Need I say more? Jack’s LamentNightmare Before Christmas Nicht nur mein liebstes Weihnachtslied, sondern einer meiner All-Time-Favoriten überhaupt: «Jack’s Lament» aus Tim Burtons «Nightmare Before Christmas». Halloween-Mastermind Jack Skellington findet keinen Sinn mehr im grausigen Treiben, wie er in seiner Klage schön illustriert. Kurz darauf landet er in Christmas Land, ist entzückt – und lässt Santa Clause entführen, um Weihnachten zu übernehmen. Gesungen wird Jack übrigens von Danny Elfmann höchstpersönlich, der die Musik zu allen Tim-Burton-Filmen komponierte – dieser Registerreichtum, diese Diktion …! Ein schönes Cover von All American Rejects findet sich hier. They Ain’t Makin Jews Like Jesus Anymore Kinky Friedman and his Texas Jewboys Kinky Friedman, vielen als Krimiautor bekannt, der sich selbst als Detektiv durch ein leider längst dahingegangenes New York jagt, erlangte ersten, durchaus zweifelhaften Ruhm mit seiner Band The Texas Jewboys, mit der er naturgemäss arg am Machostolz der eher rechts stehenden Countryszene kratzte, was den Aktionsradius der Band auf die urbanen Zentren beschränkte. Ihr grösster Hit hiess «They Ain’t Makin’ Jews Like Jesus Anymore», mit ihm brachte Kinky den latenten bis offenen Antisemitismus der Redneck-Kreise wunderbar ironisch auf den Punkt, selbstverständlich in einem Countrymusik-Lingo, wie es klassischer und klischierter kaum sein könnte.

Weihnachten auf hoher SeeFreddy Quinn Und zum Schluss gleich eine ganze Platte, ohne die Weihnachten einfach nicht Weihnachten ist. Freddy Quinn, bürgerlich eigentlich Franz Eugen Helmuth Manfred Nidl-Petz, festigte damit seinen, ihm von der Filmwirtschaft aufoktroyierten Ruf als prototypischer Seemann (als gebürtiger Wiener war er der See etwa so verbunden wie du und ich). Wild werden Weihnachtsklassiker mit weihnachtsbezogenen Schifferliedern gemischt, allesamt geadelt durch Freddys göttlichen Bariton. YouTube-Tipp: «La Paloma» von 1961. Die schönste Version des Volkslieds, insbesondere wegen der goetheesken Zeile: «Falle ich einst zum Raube empörtem Meer …» Man beachte auch Freddys schönes Spanisch und den unerhörten Männerchor.

Übrigens: Katzennachwuchs im Hause Pirelli. Zwei sind noch zu vergeben, auf Mitte, Ende Januar. Wer hat Interesse?

Der Sedel-Adventskalender ist Teil der kuratierten Nummer des Kulturmagazins im Dezember 2010. Zugeklebte Original-Exemplare sind im Kultur-Forum erhältlich. Herzlichen Dank für die Unterstützung dieser Nummer an Fuka-Fonds Stadt Luzern, Regionalkonferenz Kultur Region Luzern (RKK) und Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern.