Der Philosoph im Schaufenster #1 - Was ist schön?

Heute morgen um 10 Uhr habe ich mich zum ersten Mal ins Schaufenster des Kultur-Forums gesetzt. Während einer Woche stehe ich Passantinnen und Passanten sowie allen Interessierten als Gesprächspartner zur Verfügung. Zeit und Raum für philosophische Gespräche schaffen, das ist mir ein grosses Anliegen in meiner Arbeit!

(Von Roland Neyerlin)

Es dauerte nicht lange und ich philosophierte mit zwei Besuchern über die Frage «Wie können wir mit Widersprüchen umgehen?» Mit einer anderen Gruppe philosophierten wir über die Grenzen der Mobilität und die Möglichkeiten der Entschleunigung. Jemand wollte wissen, was das sei eine Philosophische Praxis? Über Mittag sassen wir dicht gedrängt um den runden Tisch und versuchten im gemeinsamen Gespräch der Frage «Was ist schön?» auf die Spur zu kommen. Die Tischrunde erinnerte mich an die Tradition der griechischen Antike, die philosophische Fragen meist  gemeinsam, in einer Art fröhlicher Geselligkeit debattierte. Philosophieren ist Nachdenken über sich und die Welt in Form eines Gesprächs. Was ist schön? Was ist Dekadenz? Wie unterscheiden sich Kultur und Kunst? Ist das Erhabene mehr als das Schöne? Entsteht das Schöne im Auge des Betrachters? Was hat Platon gemeint, wenn er von der Idee des Wahren, Guten und Schönen gesprochen hat? Fragen über Fragen. Wir haben versucht, über das Selbstdenken einige dieser Fragen genauer zu untersuchen und zu beantworten. Immanuel Kant etwa unterscheidet zwischen dem Naturschönen und dem Kunstschönen, wobei er das Naturschöne den Werken menschlicher Kunst den Vorrang gibt. Kants Ästhetik ist von ihrem Ansatz her eine «Kritik des Geschmacks». Geschmack ist das Vermögen der Beurteilung des Schönen. Doch über den Geschmack lässt sich trefflich streiten, das Schöne respektve das Kunstwerk entzieht sich einer eindeutigen begrifflichen Festlegung.  Der Geschmack urteilt durch das Gefühl der Lust und Unlust, er ist deshalb etwas Subjektives. Das Schöne aber wäre nach Kant das, was ohne Begriff allgemein gefällt… Die Mittagspause am runden Tisch war schnell vorbei. Viele Fragen mussten offen bleiben. Sokrates soll einmal gesagt haben: Wir haben die Wahrheit gesucht, wir haben sie nicht gefunden, morgen suchen wir weiter. Ich freue mich auf den morgigen Tag, auf die Begegnungen und Gespräche!