Der Musiker als Performer

Südpol Luzern, Samstag 18. Januar 2014: Das Forum Neue Musik Luzern organisiert mit dem Festival „con voce“ ein zweitägiges Programm für neue Klang und Performance Ereignisse. Ein Highlight am Samstag war bestimmt der Auftritt des New Yorker Ensembles „Wet Ink“ rund um den Musiker und Komponisten Sam Pluta.

(Von Lorenz Hegi)

Eröffnet wurde das Samstagprogramm mit zwei Performances von Leo Hofmann, einem jungen Komponisten und Medienkünstler, der in Bern an der HKB studierte und nun seine zwei Stücke „A. wie Albertine“ und „Sprungfeder“ zeigte. Im Programmtext wird auf die zentrale Figur in Marcel Prousts Hauptwerk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ verwiesen, die ebenfalls Albertine heisst. In diesem Werk und ebenso in der Performance von Hofmann spielen Erinnerungen an vergangene Zeiten und Erlebnisse, wie auch die damit verbundenen Assoziationsketten, eine wichtige Rolle. Das Stück stellte sich aus verschiedenen Klangereignissen zusammen, die teilweise mittels an den Fingern befestigten Sensoren und der eigenen Stimme live erzeugt wurden, aber auch durch zugespielte Sequenzen zustande kamen. Um nun eine völlig andere Assoziation ins Spiel zu bringen, die sich vor allem beim zweiten Stück „Sprungfeder“ einstellte, sei hier auf den Text von Heinrich von Kleist „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ hingewiesen. Denn das „con voce“ zeigt sich in dieser Aufführung von Hofmann auch als ein „senza voce“, also das Versagen von Stimme bzw. das Ausbleiben von gesprochenem Ausdruck. Stotternd versuchte sich Hofmann an verschiedenen Buchstaben, wobei man nicht sicher sein konnte, ob er wirklich was sagen wollte, oder nur etwas verworren Innerliches zum Ausdruck brachte. So wurde die Sprungfeder zu einer etwas gequälten und spannungsgeladenen Feder. Anschliessend performte Maren Lena Kessler mehrere Stücke, unter anderem ein eigenes mit dem Titel „Break From Myself“. Dabei zeigte sich Kessler als eine versierte und vielseitige Performerin. Unterstützt wurde sie von zwei Musikern, die während den ersten Stücken lediglich stoisch im dunklen Hintergrund standen. Es wäre auch lustig gewesen, wenn diese nach den ersten drei Stücken die Bühne unverrichteter Dinge wieder verlassen hätten. So sorgten sie aber für eine packende rhythmische Grundlage für das Stück von Kessler, die in wilden Posen und mit einem aufgeklebten Schnauz und einem Sockenknollen im Schritt gekonnt daher tanzte und performte. Eine erfrischende Sache! Während den Pausen ergab sich jeweils die Möglichkeit die Klanginstallationen von Marianthi Papalexandri-Alexandri in der kleinen Halle zu besichtigen (die Performances fanden in der mittleren Halle statt). Oder aber den nervösen jungen Musikern zuzuschauen und zuzuhören, die sich für das Vorspiel, welches zur gleichen Zeit im Südpol stattfand, in der grossen Halle vorbereiteten. So ergab sich eine interessante Mischung zwischen dem Publikum von „con voce“ und den zumeist jungen und ambitionierten Musikern in den Gängen. Gemäss Programm bespielte Papalexandri-Alexandri am Freitag seine Klanginstallation, die aber auch ohne sein Zutun zu faszinieren vermochte. Gerade die Installation aus zahlreichen Röhren und Saiten erzeugte einen spannenden Klang- und Geräuscheteppich, der beispielsweise an das lüsterne Quacken von Fröschen in einem Teich erinnern konnte. Noch vor der grossen Pause am Abend spielte das Wet Ink Ensemble ein erstes Mal auf. Und zwar mit Stücken von Katharina Rosenberger. Es ist nun schwierig für einen unvorbereiteten und eher unwissenden Zuhörer sich genauer und differenzierter dazu zu äussern. So kann aber gesagt werden, dass die anspruchsvollen Stücke den Zuhörer etwas aufgewühlt und verwirrt im Kopf zurücklassen, aber nicht im Gefühl, dass da was Interessantes dabei ist. Allerdings braucht es sicherlich mehrere Durchgänge, um dieser Musik etwas näher zu kommen. In diesem Zusammenhang sei auf den Radiobeitrag von SRF 2 hingewiesen, der am 15. Januar 2014 gesendet wurde und nach wie vor als Podcast zu hören ist. In diesem Beitrag wird mit Sam Pluta eine zentrale Figur des Ensembles vorgestellt, der, wie die anderen Mitglieder, eben nicht nur Musiker und Interpret ist, sondern auch Komponist. So spielte das Ensemble im Abendblock ausschliesslich eigene Werke, beispielsweise auch eines von Pluta mit dem Titel „American Tokyo Daydream V“, das auch im Radiobeitrag besprochen wird.

Und nach erneutem sich Vertiefen in diese Art der Neuen Musik, kann eine erste Annäherung stattfinden. Als zentrale Elemente dieser Stücke kann das Verhältnis der gespielten Musik zwischen Komposition und Improvisation, sowie die (spontane und geplante bzw. geführte) Interaktion zwischen den Musikern gesehen werden. Mehr bleibt im Moment wohl noch aus. Geschriebene Musik Um aber auf den ursprünglich gewählte Titel des Textes  zu kommen: geschriebene Musik. Was einen primär visuell veranlagten und mit einem Interesse für Notation ausgestatteten Menschen auffällt und neugierig werden lässt, ist die Frage, wie diese Stücke eben notiert und geschrieben werden können. Ein flüchtiger Blick auf die Notenblätter von Maren Lena Kessler liess erahnen, dass diese Blätter auch eine gewisse grafische Qualität aufweisen können. Es geht ja nicht zuletzt um die Frage, wie ein (ephemerer) Prozess beschrieben, aufgezeichnet und schliesslich interpretiert werden kann. So beschreibt auch Pluta eines seiner Hauptanliegen folgendermassen: ein Werk schreiben, das eine freie und offene Form hat und den Spielern eine Plattform für ihre Virtuosität bietet. Aber es ist geschrieben! Das ist ja das Interessante daran. Wie kann man jemandem eine gewisse Virtuosität vorschreiben bzw. ermöglichen? Nach der anspruchsvollen Aufführung von Wet Ink blieb es am Trio „Canto Battuto“ die Spannung und Aufmerksamkeit auf diesem Level zu halten, was nur teilweise funktionierte bzw. so gelöst wurde, dass sich eine gewisse Entspannung einstellte. Der „Liederabend“ mit einer Vielzahl von Stücken verschiedener Komponisten konnte mit einer ganz anderen Form von spielerischem Umgang mit Instrumenten gefallen. Charmant und auch liebvoll wurden Toy Pianos, Perkussionsinstrumente und die eigene Stimme in ihren Möglichkeiten ausgelotet.

Der Link zum Beitrag von SRF 2 über Sam Pluta: www.srf.ch/sendungen/musik-unserer-zeit/sam-pluta-neues-aus-new-york Link zur Homepage von Wet Ink: www.wetink.org Forum Neue Musik Luzern: www.forumneuemusikluzern.ch