Er war Haudegen, Freigeist und Poet – und von unvorteilhaftem Äusseren. Es war die Nase mit Überlänge, die den Dichter Cyrano de Bergerac (1619–1655) zur Spottfigur machte. Ihn quälte sein «Zinggen» im Gesicht, ein Makel, der im Gegensatz stand zu seiner feinsinnigen Sprachmacht. Cyrano, die authentische historische Figur, gilt nebenbei als ein Pionier der fantastischen Literatur. In Stans ist er tragischer Titelheld in der fünfaktigen Verskomödie von Edmond Rostand. Das Stück aus dem Jahr 1897 kommt in einer Mundartversion (Übersetzung: Ueli Blum) auf die Bühne; sie behält das Versmass, muss aber nicht zwingend immer auch über Reime verfügen. So wirkt die Sprache auf eine Art geschmeidig-elegant, ohne unbedingt allzu künstlich zu sein.
Textbeispiele: «Nimm d’Pfote wäg, du Tööpli.» – «Du leihsch mir dini Schönheit ond ech geb der mini grossi Schnore.» – «Du gisch mier suuri Milch, doch ich wott Niidle.» Schliesslich, das Ende naht: «Sogar im Stärbe han ech no verseit.»
Es ist freilich eine tragische Geschichte, die allerdings im komischen Kleid daherkommt. Cyrano ist gewitzt und witzig, ein gewiefter Fechter mit dem sprachlichen Florett. Und handfest ein versierter Kämpfer mit Degen und Faust. Er stellt seine Fechtkunst unter Beweis, in Stans im schönen Einfall, auf die Waffen zu verzichten und es pantomimisch zu gestalten, während die Schlaggeräusche in der Szene durch Schöpflöffel kreiert werden. Wie mutig und erfolgreich er als berüchtigter Haudegen draufhauen kann, zeigt der Kampf «1 gegen 100» als Schattenspiel hinter der heruntergelassenen Leinwand. Diese dient auch als Projektionsfläche für Videos, in denen bei Aktwechseln Schauspieler und Schauspielerinnen privat Liebesstatements formulieren.
Um die Liebe geht es ja. Um unglückliche. Denn Cyrano (Urban Riechsteiner), heimlich verknallt in seine wunderschöne Cousine Roxane (Lou Rosset), meint, angesichts seines Gesichts, nicht würdig zu sein, geliebt zu werden. Kompliziert wird’s, als der junge, schöne, aber dumme Kadett Christian de Neuvillette (Lukas Tschümperlin) Cyranos Ghostwriter-Dienste in Anspruch nimmt: Der Dichter soll an seiner Statt billets doux verfassen, die der Angehimmelten schwer Eindruck machen. Kommt dazu, dass der Regimentskommandant Graf de Guiche (Albert Müller) als Rivale seinerseits ein Auge auf die Schöne geworfen hat. Cyrano bewährt sich soweit bestens in seiner Funktion als Liebesflüsterer und Meister der Eloquenz.
Doch es herrscht Krieg. Christian wird tödlich getroffen. 14 Jahre vergehen. Cyrano, schwer verwundetes Opfer eines heimtückischen Attentats, verrät sich sterbend gegenüber Roxane, als er aus dem anrührenden letzten Brief von «Christian» auswendig zitiert. Doch es ist zu spät.
Von der «Theater im Theater»-Eröffnungsszene bis zum finalen Fallen von Herbstblättern findet die Inszenierung von Bettina Dieterle immer wieder zu gelungenen Bildern. Die genannten Spiegelfechtereien und Schattenspiele zählen ebenso dazu wie eine rhythmisch beschwingte Bäckerstuben-Szene oder das Treiben des Soldaten-Haufens im Feld. Gespielt wird in einem relativ offenen Bühnenbild (David Leuthold) mit dominanten Latten-Motiven.
Der Ansatz des Stanser «Cyrano» ist zeitlos-aktuell. Das zeigt sich unter anderem in der Sprache und in den sehenswerten Kostümen (Irène Stöckli), die nie historisierend sein wollen. Die Handlung verbleibt im 17. Jahrhundert, das Denken und Handeln der Menschen auf der Bühne dagegen weisen ins Heute.
Nicht zu vergessen die Musik: Nicht nur rhythmisch, sondern auch melodisch eingesetzt wird das live gespielte, variantenreiche Schlagwerk (Musik: Christof Stöckli), das viel atmosphärische Wirkung entfaltet.
Kurzum, das Fazit: Gut getroffen, oder um unmartialisch im Bild zu bleiben: Touché!
Cyrano de Bergerac, von Edmond Rostand
Regie: Bettina Dieterle; Übersetzung: Ueli Blum; Musik: Christof Stöckli; Bühnenbild: David Leuthold; Kostüme: Irène Stöckli; Choreografie: Kevin Richmond; Lichtdesign: Martin Brun; Maske: Madleina von Reding
Theater Stans, bis 8. April 2017