Der letzte Koffer – das Gesamtbild ist gelungen

Über 150 verschiedene künstlerische Auseinandersetzungen mit ein und demselben Gegenstand, zusammengetragen aus der ganzen Innerschweiz, zur Schau gestellt in der grössten und schönsten Zentralschweizer Kunsthalle (120m lang, 12m breit und ca. 16m hoch): der Turbine Giswil. Die Ausstellung «Der letzte Koffer» wurde im Rahmen von transit 09, dem Innerschweizer Kulturprojekt der Albert Köchlin Stiftung, unter der Leitung des Obwaldner Künstlers Adrian Hossli realisiert. Text und Bildsammlung von Anna-Sabina Zürrer, deren Koffer auch in der Ausstellung steht.

(Von Anna-Sabina Zürrer)

Kaum zu glauben, dass momentan zwischen Obwalden und Luzern ein ziemlicher Kulturkampf oder eine kulturelle bzw. finanzielle Funkstille herrscht. An der Vernissage der Ausstellung «Der letzte Koffer» in der Turbine Giswil zeigte die unglaublich lange Autokolonne vor dem Gebäude Nummernschilder aus der ganzen Zentralschweiz – ja sogar darüber hinaus. Massenhaft Kunstinteressierte strömten in die Halle. Der Austausch war gross, das Buffet entleert bevor die letzten Worte der Vernissagerede verklangen.

Begonnen hatte alles letzten Herbst mit folgender Ausschreibung:

«Der Bildhauer Alberto Giacometti zerstörte seinerzeit vor seinem Transit von Genf nach Paris einen grossen Teil seines plastischen Werkes, überbrachte aber in kleinen Zündholzschachteln verpackt einige Kleinplastiken, die den Kern, die ideellen Voraussetzungen seines reifen Spätwerkes enthielten. Ebenso spielte "Das Grosse Glas" von Marcel Duchamp, eine in eine Schachtel verpackte, mehrteilige Arbeit, eine zentrale Rolle in seinem künstlerischen Lebenswerk.

‹Der letzte Koffer› stellt in Anlehnung an die beiden Beispiele eine Reduktion und gleichsam eine Konzentration einer künstlerischen Auseinandersetzung dar, die eine künstlerische Position, eine Momentaufnahme der augenblicklichen Situation, in der sich das persönliche Werk befindet, manifestiert.

‹Der letzte Koffer› versteht sich als Relikt, als Testament, als geistige Hinterlassenschaft einer Künstlerexistenz, die sich aus dem Staub macht, die abhaut, die sich auf die Flucht begibt, ausser Landes geht, seine Identität wechselt, von der Bildfläche verschwindet, aber dennoch eine klare, unmissverständliche Botschaft hinterlässt, die sich auch deutlich von den Aussagen seiner Mitkünstlerinnen und Mitkünstler unterscheidet. Im Kontext der ganzen Ausstellung wird jeder Werkbeitrag zu einem wichtigen Mosaikstein, der zum Gesamtbild der regionalen Kunstszene in einem bestimmten Zeitpunkt beiträgt.»

Dicht an dicht sind nun die 153 einzelnen Arbeiten auf zwei langen, durch die ganze Halle führenden Holzbrettern aufgereiht, teilweise zwar fast zu nahe nebeneinander. Doch das Gesamtbild ist gelungen, in seiner vergänglichen Form der Ausstellung, aber auch in der dokumentarischen Form des 200-seitigen Kunstbuches zur Ausstellung, herausgegeben vom Verlag Martin Wallimann.

Hoffen wir doch, dass «Der letzte Koffer» nicht die letzte Zentralschweizer Ausstellung in der Turbinenhalle sein wird. Tatsache ist nämlich, dass die Turbinenhalle einer amerikanischen Galerie vermietet wurde, und somit für die bisherigen Veranstaltungen nur noch wenig bis gar keinen Platz mehr vorhanden ist...

Die so zahlreich erschienenen Besucherinnen und Besucher der Vernissage waren hoffentlich Zeichen genug, dass der Fortbestand der Turbine Giswil als Raum für Zentralschweizer Kunst erwünscht und benötigt wird.

Ausstellungsdauer: 25. April bis 17. Mai

Öffnungszeiten: FR 19-21 Uhr, SA/SO und Feiertage 13-18 Uhr.