«Der Blues hat mich eingeholt»

Noch weilt Susan Tedeschi in Budapest, wo sie heute Abend mit dem Altblueser B.B. King die Bühne teilen wird. Am Sonntag kommt die 39-jährige Amerikanerin nach Luzern, ans Blue Balls Festival. Was wir zum Anlass für ein Interview genommen haben. Einfach so. Und natürlich auch, um über ihre Musik zu sprechen, die nicht bahnbrechend sein will, dafür jedoch die Grenzen zwischen Folk, Rock und Blues aufs Schönste auslotet.

(Interview: Michael Gasser)

Schon als Kleinkind sind Sie auf Broadwaybühnen rumgewuselt.

Stimmt, mit sechs Jahren sang ich im Chor des Musicals «Oliver» mit. Das, weil meine Mum in der Show mitspielte, ich musste aber dennoch vorsingen. Ich erinnere mich vor allem daran, raus auf die Bühne rennen zu müssen. Allzu nervös war ich jedoch nicht.

Ihre musikalische Liebe gilt heute dem Blues, nicht dem Musical.

Das habe ich wohl meinem Vater zu verdanken. In den Sixties besuchte er alle möglichen Folk- und Blueskonzerte, von Muddy Waters bis Bob Dylan. Ich erinnere mich besonders an seine Geschichte, wie er an einem Musikfestival mit Mississippi John Hurt unter einer Weide sass und über eine Stunde lang mit dem alten Blueser schwatzte. Einfach, weil niemand sonst mit ihm sprach. Dad hatte auch eine Martin-Gitarre, die er mir dann auf den 13. Geburtstag geschenkt hat. Schon bald begann ich meine ersten Songs zu schreiben. Im College wollte ich allerdings Gospelsängerin werden, der Blues hat mich erst später wieder eingeholt.

Sie haben früh für den Musikweg eingeschlagen. Hatten Sie – für den Fall der Fälle – einen beruflichen Alternativplan?

Dass ich mal von der Musik leben kann, hätte ich nie gedacht. Auch wenn mir seit jeher klar war: mein Ding ist die Musik. Hätte es nicht geklappt, wäre ich wohl Meeresbiologin geworden. Dem traure ich aber überhaupt nicht nach.

Wohin hat sich Susan Tedeschi entwickelt, wenn Sie Ihre erste Platte «Just Won’t Burn» (1998) mit Ihrer aktuellen CD «Back To The River» vergleichen?

Ich glaube, meine Musik kommt gar nicht gross anders daher. Ich würde sagen, die Folkelemente sind noch ein weniger folkiger, der Rock noch ein bisschen heftiger und die Geschichten, die ich erzähle, sind vielleicht noch etwas stimmiger und runder. Aber letztlich ist Susan Tedeschi ganz einfach Susan Tedeschi geblieben.

Sie sind mit dem Gitarristen Derek Trucks, der sowohl bei den Allman Brothers spielt als auch mit seiner eigenen Derek Trucks Band unterwegs ist, verheiratet. Wird das Beziehungsleben erleichtert oder erschwert, wenn zwei Musiker ein Paar sind?

Sowohl als auch. Dadurch, dass wir beide Musiker sind, ist das gegenständige Verständnis für den Beruf und was er so alles mit sich bringt, sehr gross. Auf der anderen Seite sind Derek oder ich fast ständig auf Tournee und so sehen uns wir sehr selten, seltener als andere Paare.

Immerhin haben Sie ja auch noch ein gemeinsames Projekt namens Soul Stew Revival.

Ja, aber damit sind wir nur im Sommer und um Weihnachten unterwegs. Dann haben wir Gelegenheit auch unsere beiden Kinder mit auf Tour zu nehmen. Wenn wir als Soul Stew Revival spielen, dann sind nicht nur die Arrangements grösser, sondern auch die Anzahl der Musiker, dann sind wir gleich zu elft.

Während Ihr vorletztes Album «Hope And Desire» (2005) sich ausschliesslich aus Coverversionen zusammensetzte, ist «Back To The River» von Ihren eigenen (Ko-)Kompostionen durchsetzt. Was ist passiert?

Ich habe immer wieder eigene Songs verfasst, für «Back To The River» hatte ich bereits welche eingeplant. Dann wünschte sich mein Label, dass ich mich mit Joni-Mitchell-Produzent John Leventhal zusammensetze, um ein paar Lieder schreibe. Zwar bin ich es mir gewohnt, meine Nummern für mich im stillen Kämmerchen zu komponieren, doch es hat durchaus Vorteile mit anderen zu schreiben. Es geht schneller, einfacher. Wenn ich alleine an einem Song werke, dann sind die Zweifel grösser. Manchmal ist Derek der erste, der ein neues Stück von mir zu hören bekommt, manchmal der Letzte, das vor allem dann, wenn ich meiner Sache nicht so sicher bin ...

Kein Artikel über Sie, in dem Sie nicht mit Bonnie Raitt verglichen werden. Ärgert Sie das bisweilen?

Nein, nicht im Geringsten. Ich finde es im Gegenteil sehr schön mit Bonnie Raitt verglichen zu werden. Und übrigens auch mit Janis Joplin. Lustigerweise haben die zwei ja musikalisch nicht wirklich viel gemein. Sieht mal davon ab, dass beide Riesenfans von Big Mama Thornton sind bzw. waren. So wie ich auch.

Viermal wurden Sie für einen Grammy nominiert, bekommen haben Sie noch keinen. Würden Sie sich dennoch über eine erneute Nominierung freuen?

Aber sicher. Mir macht es nichts aus, dass ich bislang leer ausgegangen bin. Ich habe mich vielmehr stets über die Nominierungen gewundert. Ansonsten fällt diese Ehre ja nur Rockstars zu, die mindestens schon dreissig Jahre im Geschäft sind.

In einem gemeinsamen Interview sagte Ihr Gatte mal, er würde sich nichts sehnlicher wünschen, so singen zu können wie Sie und Ihre Antwort war, dass es Ihr Ziel sei, dereinst so Gitarre spielen zu können wie er. Kommen Sie beide der Sache näher?

Langsam schon. Das Dumme ist nur, dass ich längst nicht so gut singen kann, wie er Gitarre spielt ...

Susan Tedeschi: «Back To River» (Verve/Universal); Konzert: SO 19. Juli. 18 Uhr, Pavillon.

 

www.susantedeschi.com

www.blueballs.ch