«Darüber spricht man nicht»

12.02.17, St. Magdalena: In einer Gesellschaft, in der pornografisches Material jederzeit zugänglich und völlig alltäglich ist, kann man manchmal vergessen, dass es auch eine lyrische Komponente dazu gibt. Mit Literatur ab 18 oder Sex um Sechs wird die Wortvielfalt und die schönste Nebensache der Welt zelebriert und bargelegt.

Man verbindet heutzutage Pornografie sofort mit dem Internet oder mindestens mit bewegten Bildern. Es gab allerdings auch eine Zeit in der man nicht ständig damit konfrontiert wurde. Eine Zeit, in der man sich noch beschämt beim Buchhändler seines Vertrauens die neuste Ausgabe eines erotischen Romans kaufen oder schlicht seine Fantasie benutzen musste; kaum vorstellbar, aber wahr. Im Magdi wird diese Zeit nun wiederbelebt, vorgetragen und regelrecht gefeiert.

Sonntagabend kurz nach Sechs. Nachdem man bestätigt hatte, das Dinner-Menü «Sex mit Rösti» auch einzunehmen, wurde vom Rednerpult die erste Ausgabe dieser pornografischen Lesebühne gestartet. Erklärt und eröffnet von Max Christian Graeff, gaben noch drei weitere Literaten (Patrick Hegglin, Niklaus Schärer und Leonie Staubli) Auszüge aus anzüglichen Werken der Schriftkunst zum Besten.

Von John Cleland über Jens Bjørneboe waren mal bekanntere, mal unbekanntere Schriftsteller vertreten. Die Absicht blieb aber immer gleich: Sex und Ästhetik, Trieb und Schönheit, Lust und Kunst. Ganz im Sinne des Überthemas «Das Auge fickt mit».

Wer dachte es gäbe nur schnöde Schmuddel Romane über das Begatten und Begattet werden, wurde hier eines Besseren belehrt. In wunderschöne Worte gepackt, mit subtilen Metaphern oder einfach direkt, dreckig und gerade raus wurde schon seit Jahrhunderten über den sexuellen Akt geschrieben – und aus diesem Fundus schöpfte man an jenem Abend auch.

Allerdings war es egal, ob ein beabsichtig humorvolles Essay vorgelesen wurde oder ein dramatisches Gedicht. Bei einer Lanze, einem Fötzchen oder Ähnlichem ging meist ein Kichern oder mindestens ein Schmunzeln durch die Runde und als über Glieder referiert wurde, blieb dem einen oder anderem die servierte Bratwurst mit Rösti einen kurzen Augenblick im Halse stecken.

Nichtsdestotrotz waren es erfrischende zwei Stunden, in denen für einmal Themen und Wörter aufgenommen wurden, über die man normalerweise eben nicht in der Öffentlichkeit spricht. Freie Liebe, freie Literatur ohne Zensur und ohne Scham.

Wer selber ein Ohr voll Schwänze, Mösen und deren wortreiche Verbindung nehmen möchte, kann das am 12. März machen. Dann findet die zweite Ausgabe dieser speziellen Lesebühne statt.