Come on, come out!

«Fucking Åmål»: Ein Film wird zum passenden Jugendtheaterstück in Willisau, Skandinavisches gelungen ins Hinterland transferiert. Themen: Frust und Freuden der Adoleszenz sowie der Fall einer es nicht leicht habenden lesbischen Liebe.

Der Titel kommt uns irgendwie bekannt vor, und tatsächlich, die Älteren unter uns erinnern sich: Im Oktober 1999 startete der gleichnamige Film im Luzerner Kino Atelier (long gone) und wurde bei dieser Gelegenheit in «Luzern heute» (long gone) als «Trouvaille» gepriesen. Das Original von «Fucking Amal» (es hätte jetzt noch so Rondomeli auf den beiden A, ah, schon gefunden im PopChar, also: «Fucking  Åmål») kommt aus Schweden, wo auch Sophie Fuckin’ Zelmani («eine Art Norah Jones ohne Klavier», NLZ) herkommt. Das Stück stammt also vom Film ab. 1998 war der Debüt-Langstreifen realisiert worden, autorenmässig und regielich verantwortet vom früheren Literaten Lukas Moodysson (*1969), der zwei Jahre danach Heinz G.s Lieblingsfilm «Tillsammans» (die Hippie-WG) machte. Daheim in Schweden hatte «Fucking  Åmål» die Kinocharts gestürmt und gleichviele Eintritte verbuchen können wie «Titanic». Von der Leinwand (und dem DVD-Laufwerk) auf die Bühne im Luzerner Hinterland. Fürs Jugendtheater geeignet zeigt sich der Stoff, handelt es sich doch um einen aus dem Genre Coming-of-Age bzw. auch noch Coming-out. Immer noch ist der Schauplatz Schweden, wobei das in Willisau ironisch kommentiert wird, es spiele alles eben «voll im Hinterland – also in Schweden». So wird die «realistische» Theaterebene zwischendurch transparent gebrochen. Und auch die Herkunft wird nicht verschwiegen, wenn auch mal erklärt wird, im Film sei dieses und jenes anders. Nicht nur der mit Stolz vorgeführte iPod Touch, den es damals ja noch gar nicht gab, der im Jahr 2009 aber schön veranschaulicht, was «Boys with toys» meint. Im Film lautet einmal Elins Analyse (aus dem Schwedischen übersetzt): «Wir sind so provinziell, dass es so lange geht, bis etwas, das in ist, zu uns kommt, dass es schon wieder out ist. Scheiss Åmål!» Im Stück kommt der Satz auch, und was da, vor zehn Jahren und heute erst recht, bereits ziemlich alt ist, das heisst «Rave». Viel ist in der Mundart-Bearbeitung und Übersetzung von Hansjörg Betschart direkt de Filmdialogen geschuldet, einiges ist neu und den neuen Willisauer Theaterumständen angepasst.

Verhandelt werden die Geschlechterfrage, das Erwachsenwerden(wollen), die Suche nach dem eigenen Selbst, das Sehnen nach etwas, das dereinst Erfüllung bieten soll. «Fucking  Åmål» ist die Geschichte von Agnes (Jirina Ledermann) und Elin (Carolina Aregger). Agnes lebt seit eineinhalb Jahren in der muffigen Kleinstadt, ohne Freunde gefunden zu haben. Sie will Schriftstellerin oder Psychologin werden. Es ist ein besseres Haus mit «verständigen» Eltern (Mutter lässt die Jungen im Turnen mit blauen Cheerleaders-Puscheln herumhampeln). Wenig verständig zeigt sich Agnes’ Mutter, als sie zum Geburtstagsfest ihrer Vegetarier-Tochter – Agnes wird 16 – Roastbeef auftischt. Es kommt aber – vorerst – eh niemand (Agnes: «Ich habe kein Freunde.»). Elins Vater ist allein erziehender Schichtarbeiter. Elin ist schön und träumt den Traum vom Model-Dasein. Sie habe schon alle gehabt, heisst es, aber zur Sache wird es erst noch kommen. Rumknutschen können sie aber alle im skandinavischen Kaff, wo sonst nichts los ist, und auch einem stilisierten Botellón begegnen wir auf der Willisauer Bühne. Die Kleinstadt-Jugend ist, wie sie ist: Da wird vor dem Spiegel für den Ausgang gerüstet, die aufgebrezelten weiblichen Jugendlichen zeigen viel Bein und krasse Lidschatten-Schminkereien; die Jungs sind nicht weniger eitel.

Also: Agnes und Elin werden ein Paar. Was nicht einfach ist. Wie im Film findet sich am Schluss eine Schlüsselszene mit WC-Schüssel. Da wird, mit vorne offenem Bühnenbild im Bühnenbild, das Coming-out der beiden buchstäblich praktiziert, als Agnes und Elin schliesslich aus dem «Versteck» heraus durch die draussen lauernde Meute (die das freilich nicht erwartet, was kommt) schreiten. Man muss es nicht gleich Tragikomödie nennen, wenn Ernst und Spass sich gut vermischen in diesem von Simon Ledermann inszenierten Kleinstadt-Stück. Åmål ist überall. Die jungen Darstellenden tun mit ihrem engagierten Tun das Ihrige dazu, dass sowohl Nachdenklichkeit wie ein gehöriges Quantum Unterhaltung garantiert sind. Halt, da ist noch Musik. Kommentierend bis untermalend wird von The Yellow Stripes Gåråge Bånd (mit drei Leadstimmen) fünfköpfig live gespielt unter der Federführung von Bassist/Trompeter/Sänger Christof Mahnig. Ganz gut, und am Schluss heisst die musikalisch happyendige Losung «love is all you need».

«Fucking  Åmål», Jugendtheater Willisau, Zeughaus. Weitere Aufführungen: MI 10./ FR 12./ SA 13./ DI 16./ MI 17./ FR 19./ SA 20./ MI 24./ DO 25. Juni, jeweils um 20:15 Uhr. Theaterbar ab 19:15 Uhr« Nach den Aufführungen Live-Musik in der Theaterbar. FR 12. Juni: Frölein Da Capo, FR 19. Juni: Backlash; SA 20. Juni: Conceptless Vorverkauf : Papeterie Imhof Willisau, Tel 041 970 14 34, www.jugendtheater.willisau.ch