Charakterstimme im Popgewand

Südpol Kriens, 02.02.2019: Die Stimme einer gepeinigten Seele, die Ausstrahlung eines sympathischen Strassenmusikers, die Performance eines Stars. Eine unnachahmliche Stimme, die sich leider den sich wiederholenden Popsongstrukturen fügen muss.

Fotos: Nikola Gvozdic

Sobald Marius Bear auf der Bühne ist, sind seine Schuhe ausgezogen. Er steht da, spielt geistesabwesend an seinen Fingernägeln herum, wirkt ein wenig unbeholfen. Und dann macht er denn Mund auf, und man versteht sofort, warum dieser Mann als aufstrebender Star der Schweizer Musikszene gilt.

Marius Bear ist, der Legende nach, im Militär auf die Einzigartigkeit seiner Stimme aufmerksam gemacht worden, beim Herumschreien als Wachtmeister. Der Appenzeller entscheidet sich daraufhin als Strassenmusiker sein Glück zu suchen. Zuerst mit instrumentellen Stücken, und dann auch mit Gesang. Mit Mundarttexten, seiner Stimme, und auf Bühnen immer Barfuss, spielte er sich bis nach London, wo er an der Musikhochschule BIMM (British and Irish Modern Music Institute) sein Handwerk schleift, die Textsprache auf Englisch wechselt, und im Juni 2018 seine erste englischsprachige EP «Sanity» herausbringt.  Schon für die nahe Zukunft sind die nächsten Auskopplungen geplant.

Im Rahmen der «Watch It»-Reihe, bei der aufstrebende Schweizer Musikschaffende in den Südpol nach Kriens geholt werden, steht Bear mit seiner Band auf der Bühne, und zeigt, warum man so viel über ihn spricht.

MariusBear

Mit seiner unverkennbaren Stimme zieht er sofort die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Kratzig, wie die Stimme eines langjährigen Whiskeytrinkers und Kettenrauchers, zugleich aber mit einer feinen Verletzlichkeit. Kraft und Gefühl. Die Songs, die er spielt, sind packend, und bringen das Publikum in stimmungsvolle Bewegung. Wie auch nicht? Jeder der gespielten Songs hat Radioformat.

Nur: Es sind nur allzu bekannte Pop-Soul-Blues-Kombinationen. Bear selbst nennt das Genre «Heavy Pop», es bieten sich Vergleiche mit Hozier, oder Rag'n'Bone Man an. Fast jeder Song geht nach dem gleichen Schema vor: Schweres Schlagzeug, ein Bassgedröhne, leicht von der Gitarre untermalt, eine Pianomelodie obendrauf, und Bear, der von Liebe, Leben, Hoffnung, und so weiter singt.

Und das ist irgendwie schade. Nicht, dass Pop eine schlechte Wahl für ihn wäre (seine Flugbahn zeigt das eindeutig), aber es ist frustrierend, eine so einzigartige Stimme in einem so durchgeplanten Konstrukt zu sehen. Ohne Ecken, ohne Kanten. Kaum Überraschungen. Marius Bear ist die Charakterstimme im Popstargewand, oder der Popstarzwangsjacke. Je nach dem, wie man es betrachtet.

Aus diesem Heavy-Pop-Einheitsbrei stechen dann aber doch zwei Songs besonders heraus. Einerseits das Cover von «Lonely Boy» von den Black Keys, dem Bear eine wunderbar traurige und einsame Note gibt, ganz im Gegensatz zum Original. Und andererseits «Freedom», welches mit seiner Energie, und fetzigen Gitarrenriffs von sich überzeugen kann.

«Es geht immer auf und ab in meinem Leben», merkt Bear während des Konzertes mal an. Klar, in welche Richtung es jetzt geht. So lässt er es sich natürlich nicht entgehen, noch schnell anzumerken, dass man ja auch für die Swiss Music Awards, die am 16. Februar im KKL Luzern vergeben werden, nominiert sei. Ohne Mühe sieht man diesen Mann in Zukunft Hallen füllen.

Als Zugabe singt Bear dann doch auch noch in Mundart, und man glaubt den Strassenmusiker ein wenig durchscheinen zu sehen.

 

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