Brauchen wir Prinzipien?

«Im Prinzip ja – aber!» «Prinzipiell geh ich nie in ein Fussballstadion!» «Prinzipienreiter!» «Mein einziges Prinzip ist, dass ich keine habe!» «Ich habe Prinzipien, wenn sie Ihnen nicht gefallen, ich habe noch andere!» (Groucho Marx).

(Von Roland Neyerlin)

Erstaunlich, was ein kleiner Wortladen alles zu Tage fördert: Prinzipien gelten grundsätzlich, sind im Alltag kaum lebbar und werden umgangen. Das Wort «Prinzip» ist verwandt mit dem griechischen Wort «arché» (Grund). Prinzipien zielen auf Grundsätzliches und fungieren als verpflichtende Grundsätze für uns Menschen als Orientierungspunkte. Ohne solche Prinzipien (z.B. Menschen haben eine Würde, weil sie Menschen sind) leben wir schlechter. So jedenfalls die Meinung der Philosophierenden am Suppentisch. Genauso gilt: Wir sollten Prinzipien haben, doch wir sollten ihnen nicht unter allen Umständen treu sein. Fundamentalistische Prinzipientreue ist kein menschenfreundliches Prinzip. Sie hat etwas gnaden-loses. Die Flucht in die Beliebigkeit ist eine Scheinlösung, weil sie auf Dauer das Leben nicht erleichtert. Vielleicht wäre der Königsweg ein Mittleres: Wir verzichten nicht auf Prinzipien und gleichzeitig umgehen wir sie, wenn es das Leben erfordert! Das Prinzip «Du darfst nicht Lügen!» bleibt sinnvoll, auch dann noch wenn ich ausnahmsweise gezielt lüge, um ein Menschenleben zu retten. Der Mittagstisch als Gesprächs- und Denkgemeinschaft produziert Einsichten. Sokrates hat die Philosophie als Hebammenkunst (Maieutik) bezeichnet. Das Philosophieren hilft den Menschen «Einsichten auf die Welt zu bringen».