Blues-Connection, Sufi-Drehmomente, Guuggen und Gamben-Fee

Stans, 6./7.4.2016: Selbst im nieseligen Argwetter erfreut als Trost die Musik. Unterschiedlichste wie an den Stanser Musiktagen. Hier als Teil 3 der versammelten kulturteil-Kritiken eine kleine Auswahl: Unerwarteter Berner Blues, Derwische, Balkan-Gebläse und Gamben-Frickelei.

Mittwoch, Theater an der Mürg. Beim letzten Texttiegel im Kleintheater Luzern wurde es spätestens offenbar: Michael Fehr hat den Blues. Der Spoken-Word-Poet war damals nach Dreiviertelstunden nicht mit einem vorgelesenen Text wieder auf die Bühne gekommen, sondern intonierte a-cappella – eben einen Blues. Und jetzt in Stans Schnellertollerfehr: Nicht einfach Brachial- oder Banal-Blues, sondern «jazzigen», raffiniert, rauh, reduziert, mitunter swingig oder mit Unisono-Drive. Die Kollaboration findet ja auch mit Ausnahmegitarrist Manuel Troller statt plus mit Bassist Andi Schnellmann, Ausnahmedrummer Julian Sartorius und Perkussionist Roman Bruderer.

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Michael Fehr, mit seinen 34 Jahren irgendwo unverständlicherweise noch als «Jungautor» betitelt, steht vorne in der Mitte und performt. Er ist nicht einfach Rezitator, sein Sprechen verwandelt sich in Sprechgesang, ja Gesang. Talking Blues in dialektal gefärbtem Hochdeutsch, intensiv intoniert und moduliert. Texte über Tod und Teufel, Messer- und Mörderballade, aber auch: «Jetzt isch’s ganz lieblich» – «Komm schon, Mädchen». Come on, Babe, Babe, Babe. Der Vortrag als Tutti oder auch mal im Duett mit Gitarrist Troller. Die Musik keine akustische Illustration, kein «Poesie und Musik», sondern kongeniales Ineinandergreifen, ein Miteinander, Durchdringen von gespielten und gesprochen Tönen, Text im Groove, rhythmisiert, Wörter, die Klang werden. Bern mag überall sein, der Blues ist es auch, zum Beispiel in Bern: «Ausserholligen Baumwollfelder». Oder dies, ein Spoken-Word-Brutalo, durch den sanft ironischen Vortrag in seiner Gewalttätigkeit leicht abgefedert: «Ein Rebhuhn auseinandernehmen», eingeleitet durch die Erklärung: «Mini Grosseltere sy vom Land.» Wer Fehrs ruralen Rebhuhn-Text in anderem Zusammenhang hören will, hier wäre er im Radio-SRF-2-Kultur-Hörspiel vom Januar 2015 (ab 30:40). Man assoziiert den frühen Endo Anaconda und den späten Tom Waits. Überhaupt für viele eine erfreuliche Überraschung und Entdeckung. Apropos Entdeckung: Performer Fehr gibt’s im Sommer zwischen Obwaldner Ländlerkapellen und Mongolen zu erleben: Er ist beim 11. Volkskulturfest Obwald gebucht (30.6.–2.7.). Was soll man sonst noch schwärmen? Vielleicht behelfsmässig schon mal drei Worte: Quelle performance extraordinaire!

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Donnerstag, Kollegi. Sie sind aus Syriens Metropole Damaskus nach Nidwalden gekommen. Nourredine Khourchid and The Whirling Dervishes of Damas heisst die Affiche. Streng genommen ist es religiöser Folklorismus, das heisst ein Ritual wird in einem fremden Kontext aufgeführt. Das Publikum darf staunen und Faszination zeigen ob des vom Kontemplativen zum Trance-Ekstastischen wechselnden Singens (solo und im Chor) und vor allem Tanzens. Ein Lautenspieler, sechs Sänger, darunter einige mit Tamburin oder Schellenkranz bestückt, zwei Rundtänzer. Dynamik, vom Langsamen zum Rapiden in stetiger Beschleunigung und zurück. Derwisch lautet das Stichwort zu dieser hymnisch-berückenden «Worldmusic»-Performance.

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Auf dem Weg zum Engel machen wir ein Bier lang auf dem Dorfplatz halt, wo heuer unterm Zeltdach vor ziemlich vollem Haus die Gratiskonzerte ihren Ort haben. Es spielen gerade die rumänischen Fanfare Shukar, was eine zünftige Guugge-Guuge ergibt. Fetzige Ungerade, rumpeliges Geschmettere. Balkan-Party. Coleen alias Cécile Schott ist die Frau mit der Gambe. Sie kommt aus Frankreich und tritt am Donnerstag im Club im Engel auf. Will heissen: Sie zupft das schöne alte Instrument, verschlauft Läufe in Loops, schichtet die Töne, singt ggf., haut auf ein Standtom. Doch damit nicht genug: Zuweilen wird mit Geräten elektronisch gefrickelt, in einem innigen Konzert, das sie wechseln im Sitzen, Stehen oder kauernd bestreitet. Verzaubernd, feenhaft, ätherisch. Gibt’s den Slogan eigentlich schon: «Stans kanns»? Stanser Musiktage, noch bis Sonntag