Betörend starke Duos und ein spätes Highlight – B-Sides-Festival (Tag 2)

Das B-Sides endete gestern zu aller Zufriedenheit: Wieder ausverkauft und wieder viel unglaubliche Musik von Minsk bis New York. Und nicht minder wichtig und vielseits gelobt: Für ein Openair waren die Schlangen unüblich kurz, und es hatte immer Papier und Seife bei den WCs. Das Festival auf dem Sonnenberg ist nicht nur das schönste seiner Art – es ist auch das bestorganisierte. Nur die Signaletik könnte optimiert werden.

Ich übernehme von Kollege Zihlmann, der hier knapp aber kompetent über den gestrigen Abend am B-Sides geschrieben hatte. Wie ein Irrer bin ich am Samstag zwischen den beiden Bühnen hin- und hergependelt, mit kurzen Zwischenstopps beim Kulturmagazin-Stand (mit Planschbecken!) und bei der Getränkeausgabe. Es ist eine anstrengende Eigenschaft, keine Band verpassen zu wollen.

Beginnen wir unchronologisch mit den Highlights – für mich waren das jene Combos, die durch eigentümliche Besetzungen und spartanische Umsetzung überzeugten. Direkt und roh lautete die Devise. So zum Beispiel Beehover. Sie hätten es einst mal mit einem Gitarristen versucht, so hört man, funktionierte aber nicht. Also beschränken sich die Stuttgarter auf Drum und Bass. Ein regelrechtes Donnerwetter liessen sie über die ansonsten romantisch von der Abendsonne beschienene Lichtung los. Eine Gitarre vermisste ich zu keiner Sekunde, was mit ordentlicher Verzerrung und Feedback aus der Bassbox dröhnte, war mindestens ebenbürtig. Der Sound war roh, klug und oft verspielt. Und auch das Schlagzeugspiel war nicht ohne, die recht komplexen Rhythmen meisterte der Langhaarige mit grosser Sicherheit. Und es gibt durchaus Parallelen von Beehover zu Gurzuf, die etwas früher auf der grossen Bühne standen. Ein Duo aus Minsk mit Akkordeon und Schlagzeug. Und auch das donnerte und rumpelte gewaltig, wie man das vom oft als etwas behäbig wahrgenommenen Akkordeon kaum erwartet. Hypnotisch! Die Meute tanzte ein erstes Mal.

Und mein drittes Highlight gab's ganz spät – die Beine waren schon schwer und die Warnlampe «overloaded» im Kopf blinkte – mit der Befürchtung eines anstrengend-monotonen Konzertes stand ich vor der Zeltbühne. Und es kamen die unglaublichen Bul Bul aus Österreich. Ich zitiere Kollege Emmenegger, der seinerseits im Kulturmagazin zitierte: «faszinierend verhaltensgestörter Schalkmetal». So war es. Das Trio schaltete eine wilde und schnelle Gangart und tobte sich gründlich in experimentierfreudigem Trashrock aus. Immer wenn man meinte zu wissen, wie das jetzt geht mit diesen Bul Bul, schlugen sie einen Haken – tanzbare Discobeats wechselten mit Schlagzeug-Gitarren-Gewittern. Fein! Da dieser Samstag ja so unglaublich dicht mit hörenswerten Bands bestückt war, noch weitere Eindrücke. Auch ganz gut machten ihre Sache Disco Doom aus Zürich. Es gab Diskussionen pro («beste Schweizer Rockband») und contra («die sitzen seit 10 Jahren fest») Disco Doom. Das Konzert war aber mitreissend, opulent und unglaublich cool. Man merkt ihnen ihre lange Erfahrung bei jedem Ton an. Auch Aucan aus Brescia überzeugten – brachial aber mit Mut zum Experiment (sprich: Glockenspiel). Benni Hemm Hemm sorgten bei mir für gute Laune, schöne Popsongs mit schöner Stimme von einem schönen Mann mit Hut aus Island. Begleitet von Kontrabass und Trompetenmelodien – zum Innehalten und Träumen und/oder abschalten.

Viele sind bekanntlich überhaupt erst auf den Sonnenberg gekommen wegen den New Yorker Antipop Consortium – vom Rennommee her wohl der Headliner, und tatsächlich schafften sie es wie keine zweite Band die Besucher um die grosse Bühne zu scharen. Es war Hiphop, kluger Hiphop. Elektronisch verspielter Hiphop. Aber es war Hiphop, und da kann ich nicht viel dazu sagen. Aber es war eine gute Erfahrung. Eine Enttäuschung war Love Of Everything. Der Chicagoer Bobby Burg sampelte zwar entzückende Sachen wie beispielsweise ein Blitz von einem Fotoapparat über den Tonabnehmer der Gitarre und sang schön schräg. Jedoch sollte er sich schleunigst eine Drummerin zulegen, die sich in ihrer Rolle nicht aufs Anlächeln beschränkt. Das fehlende Rhythmusgefühl war ein Graus. Und zum Schluss noch dies: All die gemalten Beschriftungen am B-Sides bei Bars und Foodständen sind hübsch anzugucken – informativ sind sie aber nicht. Ich kam bis am Schluss nicht ganz draus, wo ich die Crêpes und wo die Würste kriege. Aber das war's dann auch schon – danke!

Hier gibt's Bilder zum B-Sides 2009