Begegnung der dritten Art

Artig sind sie beide nicht, aber sie stehen auf gleichsam diametral entgegengesetzten Seiten, schreiben spitzfedrig, gelten publizistisch als wadenbeisserische scharfe Hunde. Die Namen: Dr. Christoph Mörgeli, SVP, und Constantin Seibt (Ex-WoZ). Die beiden Zürcher lieferten sich am Donnerstag im La Fourmi einen kolumnistischen Schlagabtausch. Endstand: untentschieden. Wobei man rinks und lechts wieder einmal nicht velwechsern sollte.

Die Frage, die sich stellte, war: Würde das jemanden interessieren, wenn zwei Zürcher bereits gedruckte Kolumnen vor Publikum vorlesen? Es würde, und wie: Das Fourmi war anlässlich der Barfoodpoetry-Veranstaltung «Das Kolumnisten-Duell. Christoph Mörgeli vs. Constantin Seibt» ziemlich proppenvoll. Wobei, apropos rinks und lechts, der eine schon mal Applaus von der falschen Seite erhalten konnte. Und umgekehrt. Mörgeli, Medizinhistoriker, Bundesparlamentarier und «Weltwoche»-Kolumnist von Köppels Gnaden und also im politischen Spektrum an der rechten Seite zu verorten. Seibt, einst Wochenzeitung WoZ (und daselbst regelmässig monstermässig kolumnierend) und mittlerweile Tages-Anzeiger. So die Ausgangslage. Seibt durfte, per Münzenwurf von Moderator Christian Gasser entschieden, anfangen und bekannte, wie das Kolumnenschreiben einem einzigen Ziel geschuldet sei, in seinem Fall: «ein ständiges Einkommen». Man kaufe als Redaktion jemanden ein, miete einen Kopf. Kontrahent Mörgeli konterte, als er an der Reihe war, vom Publikum aus in der ersten Halbzeit rechts im Sofa lesend: «Es ist halt so, die Linken reden immer vom Geld.» Beide hatten sich gut vorbereitet und wussten, wo sie waren, was dem Publikum den Vorteil brachte, quasi lokalrelevante Texte mit zu hören zu bekommen. Seibt etwa brachte seine «Rede an den Kanton Obwalden» (mit dem Tipp des Kinderkannibalismus), Mörgeli seinerseits hatte u.a. einen Text gegen Cheffeminist René Kuhn (damals noch «Grossgemeinderat») mitgebracht. Liebe Kinder, gebt fein Acht: «Die Politik ist das Showbusiness der Hässlichen.» Es gab zu vernehmen Seibts nachhaltig Wellen schlagende Literaturfälschungskolumne darüber, wie J.W. Göthe eins zusammen mit Schillern dem Marihuana-Konsum frönte. Mörgeli, nicht faul, nahm im Anschluss den Ball auf und belegte seine abendländische sowie aber auch vaterländische Bildung, indem er aus dem Stand aus ebenjenes Schillers «Wilhelm Tell» freihändig zitieren konnte. Es mag, im politischen Kontext, erstaunen, dass Mörgeli den grossen und unübertroffenen Wiener Karl Kraus als sein Vorbild nannte, was diesen wohl im Grab rotieren liesse (nein: Kraus rotiert wahrscheinlich wirklich). So ging es manchmal pingpongmässig hin sowie zu und her, dass schöne Anschlüsse und Repliken gefunden wurden, erst recht, als Seibt auch ein wenig selber moderierte. An Christoph Blocher gerichtet war ein Text übers Zweifeln und Heucheln, darauf Mörgeli: «Der grösste Zweifler heisst Moritz Leuenberger.» Wie es sich denn so anfühle als Nummer 2 (= Mörgeli) hinter der Nummer 1 (= Blocher)? Und schon kam die Seibtsche Glanznummer, schon wieder kannibalistisch, über das Einfrieren von Christoph Mörgeli, eine Frankenstein-Szenerie in Blochers Schloss und dem Auftauen in ferner Zukunft, wo aber Hungersnot herrscht und der Kopf, vom Rumpf getrennt, verspeist wird. Erotisches von Mörgeli: «Eine Fraue, bei der ich keinerlei Entkleidungsfantasien hege: Micheline Calmy-Rey.» Es gab Witze übers Heimweh bzw. dagegen, Freunde in Kanada hätten ein Calmy-Rey-Bild an der Wand. Wieso: Gegen das Heimweh. Wieder einmal Moritz Leuenberger, der Tunnelbauer: «Für mich ist Moritz Leuenberger nie links gewesen, nur weinerlich.» (Seibt, der seit einem Dreivierteljahr keine eigentlichen Kolumnen mehr schreibt, in einem politischen Kommentar). Und auch dies: «Unser gemeinsames Anliegen ist unsere Liebe zu Maurice Leuenberger.» Es gab noch Zugaben. Unterhaltsam wars, zwei Stilisten von deutschschweizweit ausserordentlichem Format waren zugange gewesen. Vorteil Seibt: Er hatte Texte dabei, in denen explizit Dr. Mörgeli vorkommt. Die Begegnung der dritten Art hatte dann einmal ein Ende, als unverhofft der Schluss eintraf. Die politischen Gegner reichten sich artig die Hände. Mörgeli übrigens entfleuchte, ohne vom reservierten Luzerner Hotelzimmer Gebrauch machen zu wollen.