Beethoven im kühlen Konzertsaal

KKL Luzern, 05.06.2015: Mit dem Wiener Rudolf Buchbinder hatten die Festival Strings Lucerne einen Pianisten zu Gast, der mit seiner Beethoven-Interpretation in vielerlei Hinsicht Erfrischung in den Konzertsaal des KKL Luzern brachte.

Um kurz nach sieben schien die Sonne am Torbogen vorbei und direkt auf den Europaplatz. Es war heiss, die Konzertbesucher assen Eis und tranken Cüpli – dann klingelte es und die Leute strömten in den kühlen Saal. Dort liess die Erfrischung nicht lange auf sich warten. Rudolf Buchbinder zählt zu den führenden Beethoven-Interpreten. Drei Klavierkonzerte aus des Meisters Feder an einem Abend zu interpretieren, reicht ihm nicht: Er bevorzugt es, sie auch selber zu dirigieren. Nach eigener Aussage empfindet er das als vergrösserte Kammermusik, als Genuss. Trotzdem ist es auch eine bemerkenswerte physische und mentale Leistung. Die Festival Strings Lucerne und ihr Dirigentensolist eröffneten den Abend mit dem Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur. Dieses Werk folgt ganz der mozartschen Gattungstradition, ist sparsam instrumentiert und die Kammerorchester-Besetzung unterstrich die intime Anlage des Werks. Von der ersten Note an klang Buchbinders Klavierspiel leicht, gepflegt, spontan und irgendwie – frei. Besonders im dritten Satz zeigte er sich von seiner charmant-augenzwinkernden Seite und freute sich über jede Note aufs Neue. Mit Humorbereitschaft gestalteten die Festival Strings dieses Allegro Molto mit, ohne etwas von ihrem eleganten und kultivierten Klang einzubüssen. In einem Interview hatte Buchbinder Beethoven als den für ihn mit Abstand romantischsten Komponisten bezeichnet. Diese Leseart zeigte er exemplarisch am Ende der Kadenz im ersten Satz des Klavierkonzerts Nr. 4 G-Dur: Ruhig und verinnerlicht spielte Buchbinder sie zu Ende und das Orchester übertrug diese lyrische Eindringlichkeit auf ein zauberhaftes Pizzicato. Solche Übergänge und Ablösungen gelangen gestern oft ausgezeichnet, so auch vom zweiten in den dritten Satz: Wie aus der Ferne kündigten die Strings einen fröhlichen Marsch an, der schliesslich etwas übermütig vom Solisten in die Gegenwart befördert wurde. Das erste Cello und das Klavier spielten einige Passagen als Duo und die Einigkeit der beiden Musiker machten den Begriff der «vergrösserten Kammermusik» konkret nachvollziehbar. Nach der Pause folgte das Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll. Die Partnerschaft zwischen Solo und dem nun etwas grösser besetzten Orchester ist enger und dichter als in den anderen beiden Konzerten. Vor allem im ersten Satz, wo sich die Ereignisse bisweilen überschlagen, stösst das Konzept des dirigierenden Solisten fast an seine Grenzen. Doch die Strings spielten aufmerksam und gestalteten das Geschehen aktiv mit, und so wurde aus dieser Spannung eine leichtfüssige, fast sportliche Herausforderung. Im zweiten Satz zeigte Dan Dodds als Konzertmeister viel Engagement, kommunizierte eng mit Buchbinder und ermöglichte so einen wunderbar langen, tiefen Atem. Das war wieder grossformatige Kammermusik, die im dritten Satz noch einmal fröhlich zelebriert wurde. Besonders die stürmische Coda in hellem C-Dur bereitete Buchbinder sichtlich Freude und am Schluss schmunzelten alle: Publikum, Orchester und der Solistendirigent. Als die Konzertgänger um kurz vor zehn wieder auf den Europaplatz traten, war es fast dunkel, und ein frisches Lüftchen wehte ums KKL Luzern.