Beat ist der Tanz auf der Nadelspitze

Göldin! Etrit Hasler! Florian Vetsch! Isla Ward! William S. Burroughs! Hunter S. Thompson! Lenore Kandel! Allen Ginsberg! Bebop! Was könnte da schon schief gehen? Einiges. Zum Glück nicht alles.

(Bilder: Marco Baumann)

Vorgeplänkel Die erste Enttäuschung gibts schon, bevor man sich im Fourmi überhaupt den Stempel in Form einer Ameise geholt hat: Göldin sei nicht aufgetaucht. Auf die Frage wieso, gibt es die Antwort, der Herr sei in St. Pauli. Auf ein weiteres Wieso gibt es am nächsten Tag die Aufklärung: Er hats vergessen. Gut, was solls. Kleinkunstkönigtum verpflichtet eben, gibt ja noch genug Ausrufezeichen, denkt man sich und setzt sich mal. Besetzt ist der Saal mittelordentlich, die Tische sind tendenziell  halb voll und auf der Tribüne vereinzelt Leute. Trotzdem kein Vergleich zu Rowohlt. Gegen die Lindenstrasse kommt so eine Bande ungewaschener Beats dann halt doch nicht an. Die angekündigten Filme von und vor allem mit William S. Burroughs flimmern schon vor Beginn der Lesung im Hintergrund. Zu sehen ist meistens Bill himself, wie er entweder in die Kamera starrt oder leicht verwirrt wirkend über die Strasse stolpert und Papageien kauft. Dazu läuft auch schon Bebop, aufgelegt von DJ Soulsonic.

Phase 1: Going DOWNDowndown Florian Vetsch eröffnet die Lesung mit einem Text von Ray Bremser. Und man beginnt sich bereits ein bisschen zu sorgen. Zum einen ist die Musik zu laut, zum anderen – und das möge er mir bitte verzeihen – ist Vetsch nicht der begabteste Vorleser, den die Welt je gesehen hat. Mit einem merkwürdig ans Österreichische erinnernden Einschlag und irgendwie alles langziehend liest er da, und es kommt kein Fluss auf. Könnte aber auch seinem Versuch, sich der Musik anzupassen, geschuldet sein. Das tat er nämlich auch beim Erzählen nach dem Text, was auch hier zu einigen Verrenkungen führte. Zudem irritiert es ein wenig, dass eine der ersten Informationen, die Vetsch über einen Autoren gibt, stets dessen Todesdatum ist. Es folgt Etrit Hasler mit einer Rezitation von Ginsbergs «Howl». Hasler liest zwar sehr energisch und dynamisch, aber «I saw the best minds of my generation destroyed by madness, starving  hysterical naked …» muss einfach nach mehr als einem frechen Farmerjungen klingen. Und da die Musik immer noch zu laut ist, begleitet irgendwann eher Hasler, als das Halser begleitet wird. Isla Ward rezitiert danach Lenore Kandel mit ganz viel Leidenschaft, einem sehr angenehmen Akzent und einer ordentlichen Portion Sex. Leidet zwar immer noch unter der Abmischung, gelingt aber und führt zu ...

Phase 2: Recover! Die Musik ist endlich runtergedreht worden, und plötzlich läufts. Etrit Hasler zeigt grossartig die komische Seite von Burroughs‘ «Naked Lunch» auf, zunächst als fantastisch-geschäftsmässig-schmieriger Dr. Benway, der die Geschichte vom sprechenden Arschloch erzählt, dann als alle Personen in der legendären Operationsszene in der Toilette. Ilsa Ward liest noch mehr versaute Gedichte von Lenore Kandel, immernoch einwandfrei. Einzig die Frage, ob ein Gedicht jetzt schon zu Ende sei, verwirrt das Publikum regelmässig. Und auch Vetsch läuft beim Lesen von Texten des kürzlich verstorbenen Hadayatullah Hübsch zu Höchstform auf. Eines der Highlights des Abends setzt dann wieder Etrit Hasler, der einen «Denver Post»-Artikel von Hunter S. Thompson aus den 80ern über den ehrenwerten Colonel Ghadhafi liest. Der Text ist nicht nur extrem lustig, er ist bedenklicherweise heute nicht viel weniger wahr als damals. Nur Reagan ist weg. Damit endete  Phase 2 und es begann die kurze, aber doch vorhandene ...

Phase 3: Relapse Vetsch und Ward widmen sich zum Schluss noch ausführlich den Gedichten von Paul Bowles. Er liest seine deutsche Übersetzung, sie das englische Original. Leider fällt Vetsch dabei in sein altes Muster zurück und ziiiieht jedes Vokal bis zur Un(k)endlichkeit. Ich weiss nicht, ob es mir alleine so ging, aber da mochte ich nun wirklich nicht mehr zuhören. Und von den Burroughs-Filmen im Hintergrund lief ohnehin längst nur noch der Abspann in Endlosschleife. Nachwort Es war nicht so schlecht, wie es jetzt vielleicht geklungen haben mag. In seinen besten Momenten bot der Abend wunderbare Unterhaltung, vor allem dank Etrit Hasler. Nur waren die Längen vielleicht insgesamt kürzer, wirkten aber naturgemäss – na, eben – länger. Es wäre mehr drin gewesen.