Bäume, Frauenfürze und verkohlter Knoblauch als Quellen der Inspiration

Forsthütte Weidli Stalden, 02.09.2015: Vom 23.-28. August wurde der Forsthütte Weidli in Stalden (Sarnen, OW) von jungen Künstlern neues Leben eingehaucht. Neun Freigeister von drei verschiedenen Kunsthochschulen der Schweiz haben sich ausserhalb der Zivilisation niedergelassen und fleissig ausprobiert und geschaffen. Die Resultate konnten am 2. September im Zeughaus Landenberg (Sarnen) unter dem Titel «Junge Kunst» mit allen Sinnen erlebt werden. 

Im Mittelpunkt dieser Woche in den Bergen stand das «Lustprinzip»: Einfach mal drauf los, nach Lust und Laune, ohne nachzudenken. Spass an der Kunst, am Erschaffen. «An der Kunsthochschule lernt man vor allem zu reflektieren. Das kann auch hinderlich sein. Hier wollten wir einfach mal kreativ sein, ohne zu werten, ob etwas gut oder schlecht ist», erklärt mir Remy  Erismann, Organisator und Teilnehmer der Artist Residency. Die ganze Ausstellung strahlt genau diese Freude, diese Experimentierlust aus. Fotos und Videos vermittelten einen Eindruck vom Leben in der Hütte: Die Künstler haben Matratzenberge gebaut, mit Frauenfürzen gespielt und waren für einmal wieder ganz Kind. Und trotzdem sind ihre Arbeiten unglaublich tiefgründig geworden. «Deep» sein und Spass haben, das funktioniert!

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Eine Auswahl an Zeichnungen, Fotos, Videos, Skulpturen und Installationen machte die Ausstellung besonders abwechslungsreich. Sie bot alles, was es üblicherweise auch in einem professionellen Museum für moderne Kunst zu sehen gibt. Und wie in einem solchen Museum erging es mir auch, als ich zu erraten versuchte, was bei der Erschaffung der Werke wohl in den Künstlern vorgegangen ist. Als ich mich über einige schwarze kleine Dinger wunderte, die auf einer Glasplatte ausgestellt sind, wurde mir erklärt, dass das verkohlter Knoblauch sei, der wie Organe aussehe. Eine Lunge hier, ein Magen da. Selbst wäre ich da nie drauf gekommen – ich hatte zuerst eher an Ziegenmist gedacht. Ohnehin geht es auch kaum darum, dass man Kunst versteht; genossen werden kann sie ohnehin.

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Am Eingang stand eine grosse Videoinstallation von einer als Baum verkleideten Frau, die Selfies schiesst und den Kameramann in den Fuss beisst. «I don’t want to be lonely, I want you, or you, or you, or somebody to be here», sagt die Frauenstimme in der begleitenden Musik. Dieses Projekt ist, wie viele der ausgestellten Werke, durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Künstler entstanden. «Growth and Interruption» lautete der Name eines weiteren Videos, das in Detailaufnahmen kleine Wunderwelten der Natur zeigt. Wie ein abstraktes Gemälde oder wie eine Amazonaslandschaft wirken die Wald- und Wiesenausschnitte, denen wir im Alltag normalerweise keine grosse Beachtung schenken würden.

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Wie gut die Künstlergruppe harmoniert, merkt man am deutlichsten an ihrem Happening. Mit einer Knallserie von Frauenfürzen begann es. Ich zuckte zusammen. Immer schneller knallte es. Was würde wohl folgen? Jemand begann zu singen und nach und nach stimmte jeder mit ein. In verschiedenen Stimmen, völlig aus der Intuition heraus. Ich schloss die Augen und begann zu geniessen.

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Die Woche in der Forsthütte war eine Idee der Kunstkommission, die Remy Erismann und Olivia Abächerli gegründet haben. Nebst der Organisation von Artist Residencies umfassen die Tätigkeiten der Kommission unter anderem die Vergabe von Kunstpreisen und die Einrichtung temporärer Museen. Sie versucht so, mehr Unabhängigkeit von bestehenden Institutionen zu erlangen. «Junge Kunst» macht definitiv Lust auf mehr. Ich bin gespannt, was man in Zukunft von diesen kreativen Köpfen hören und sehen wird. Vieles, hoffe ich.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer: Adriane Morard, Christian Fischer, David Bregenzer, Laura Grubenmann, Marc Hörler, Marc Lauber, Olivia Abächerli, Remy Erismann und Yvonne Lanz

(Bilder: Remy Erismann, Facebook)