Back to the Future: Taufe!

01.02.2014, Schüür: 7 Dollar Taxi = Nostalgie pur. Und doch aufwandsmässig aktuell, wie die neue Platte beweist. Zukunftsklang oder Nachgesang?

Einleitend muss konkretisiert werden: Hatte ich am Konzert von Augustine's Suspenders einen Backflash mit neuen Jungen, so erschien er an diesem Abend mit alten Jungen. Als frischer Jüngling mit goldgelockten Haaren, frappantem Ziegenbart und Springerstiefeln bewanderte ich vor geschätzten hundert Jahren irgendwo zwischen Metalhead und FMS-Schüler die lokale Szene. Immer dabei: 7 Dollar Taxi. Die 2014 ihr zehnjähriges Bühnenjubiläum feiern. Lago mio, bin ich bereits so alt? Mein Mami kam damals aufgeregt mit der Zeitung wedelnd zu mir gelaufen, „kännsch du die, die gönd etz uf London!“. Na klar, wer kannte Tizian und César Von Arx, Christoph Zurflüh sowie Simon Wigger  nicht? Mit „Do The Robot“ in der Retro-Aufmachung gelang ein kleiner Hit. Konzerte in England, Liebäugeln mit Japan, Reiten auf der Britrock-Welle. Die Taxis waren die erste Band, bei denen meine nur minus 100 Dioptrien-beeinträchtigen Augen die Musikindustrie beobachten durften. Zugespitzt waren sie die ersten „Stars“ meiner Jugend, die Jungs vom Kastanienbaum. Noch während ich schockiert erfuhr, dass die Von Arx-Zwillinge gar keine Zwillinge sind, verschwanden diese mitsamt Kumpanen von der  Bildfläche, um nur wenig später mit neuer Platte gegen eine angebliche „Krise“ aufzubegehren. Erneut war ein Ohrwurm mit dabei namens „Sputnik & Laika“. In diesem Zeitabschnitt besiegen sie „Solange La Frange“ am Red Bull Soundclash und festigen ihren Ruf als starke Live-Band. Oder liessen sich im frischen Joiz-Studio von einer zu diesem Zeitpunkt noch braven, aufsteigenden Gülsha Adilji (spätere „Journalistin des Jahres“) interviewen. https://www.youtube.com/watch?v=ko_ByCeUfh4

Present Age, Naked Bass César nackt, ermahgerd! Super, die Aufmerksamkeit ist mir nach dem biografisch-persönlichen Abschnitt hoffentlich wieder gewiss. Nach Soloausflügen von Frontmann Tizian steht das neue Album „Anything Anything“ bereit. Und dafür wurde viel Aufwand betrieben. Knüpfen wir bei Joiz an: Dieses Mal ist eine quirlige Dame namens Tama Vakeesan die Interviewpartnerin. Sie piekt den Taxi-Bassisten konstant, er solle doch sein T-Shirt ausziehen. Dieser erfüllt ihr schliesslich leicht genervt den Wunsch, entledigt sich seiner Kleider aber sogar bis auf die Unterhose. Für die Jugendsender-Damen ein Mix aus Schock und Spass, während die Jungs um einen lustigen Aufmerksamkeits-Coup reicher sind in der Historie. Ohnehin: Für den jetzigen Langspieler wurde kräftigt die Werbetrommel gerührt. Youtube-Videos, Ankündigungen, Single: Der Marketingmotor vom 7 Dollar Taxi läuft heiss. Um die musikalische Ausrichtung wurde nie Brimborium betrieben. Die Linie ist klar: Gitarrenrock. Immerhin: Die Soloausflüge von Tizian haben Früchte getragen, Synthie- und Piano bereichern den Sound nun und die Band wird im Indie-Rock angesiedelt. Doch wie sieht’s live aus?

Anno 2006 Die Schüür war gut gefüllt. ABER: 20:30 Konzertbeginn von Weekend Phantom? Geht’s noch? Dann liege ich noch im Bett! Ernsthaft: Wer zu Zeiten von anno 2006 loslegt respektive loslegen muss, kann einen anständig gefüllten Saal vergessen. „Das müsse so früh sein, weil die Party um 00:30 startet“, wurde mir erklärt. Was ist der Grund dafür? Ob der extern ankommende Ausgängler jetzt um 00:30 oder 01:30 reinkommt, spielt dem doch keine Rolle und finanziell klammerte man sich im Konzerthaus „Ztüür“ hoffentlich nicht an den paar wenigen Nachzüglern oder gar Pünktlichkeit, oder? Der Umstand ist insofern ärgerlich, weil Weekend Phantom laut Bandkennern eines der stärksten  Konzerte ihrer Bandhistorie gegeben hätten. Aber okay, die Kick Ass Award-Gewinner fürs Beste Album spielen noch einige Shows, also hoffen wir auf einen erneuten Exploit.

Rap’n’Rock-Revolution bitteschön! Man muss die Professionalität von 7 Dollar Taxi in der Folge betonen. Eigens herangekarrtes Lichtpult, eine aufwändige Deko aus Holzelementen und Live-Musiker: Auch hier beweist der Aufwand, dass es der Band zum 10-jährigen Bühnenfest richtig ernst ist. Konzertmässig teilte sich die Show auf. Der erste Teil liess Nervosität spüren, gerade musikalisch. Verständlich. Der erfahrene  Fronter Tizian minimierte diesen Umstand durch klare, kräftige Ansagen. Die Setlist aus neuen und alten Songs liess dann sogleich in der Vergangenheit schwelgen. Trotzdem bin auch ich älter geworden und meine Ansprüche höher: 7 Dollar Taxi bieten feissen Rock, der für meine Verhältnisse jedoch zu einfach poppig ist und sich nur wenig weiterentwickelt hat. Mit dem Auftritt von Japrazz-Rapper Phyl the Ill alias Pablo gelang aber  die Kehrtwende. Dieser explodierende Energievulkan riss sowohl Publikum als auch Band mit, taufte die Platte, animierte, reagierte und  reanimierte. Gross. Mehr solcher Kombinationen à la 7$T feat. Japrazz oder Alvin Zealot feat. Geiler As Du. Was musikalisch im Anschluss an die Champagnerdusche alias Taufe folgte, war dann keine Revolution mehr, aber eine solide Rock-Show. Auch das Publikumsfazit fiel positiv aus, und das ist im Endeffekt, was zählt. Ein schönes Bild auf jeden Fall, eine Familie samt jungem Fan und signierter Platte zu sehen. Wir sind zurück in der Zukunft. Und ich für meinen Teil bin gespannt auf Überraschungen im Sommer sowie die nächsten zehn Jahre 7 Dollar Taxi.