Back-Flash mit Augustine’s Suspenders

Treibhaus, 10.01.2014: Augustine’s Suspenders taufen ihre EP „Miss Understood“. Viele Gäste, viel Engagement, viel Musik. Und ein Rückblick mit Zukunftshoffnungen.

Eine junge Band gibt ein Konzert, zahlreiche Menschen finden sich ein, alles stimmt: Ein Abend, der parallel zu einer Partynacht im Loft, Pravda und wie sie alle heissen, steht. Live-Musik konsumieren und sich mit preislich vernünftigem Bier die Lampe füllen oder Backstage-Erfahrungen sammeln. Erste Gigs abseits der ganz grossen Namen erleben, Kontakte knüpfen, die Szene kennenlernen. Auf der Bühne stehen Freunde, im Publikum sind Freunde, Freunde spielen für Freunde, feiern mit Freunden. So war sie, meine Anfangszeit, meine ersten Ausflüge ins Nachtleben. The Bucket, Rete Urbana, Balu (die kennt mensch heute als Alvin Zealot) und so weiter, und so fort: Zahlreiche Auftritte mit mal mehr, mal weniger starken Bands, die wie Pilze aus dem Boden sprossen. Immer wieder gab’s die Strömungen: Mal kam die Punk-Phase durch Jerkwater Town oder den Couch Potatoes und ganz gross war die Brit-Rock-Phase mit den eben genannten The Bucket oder The Dandies. Verpackt wurden diese Pakete als Lucerne Rock City, wo auch die „Alten“ wie Highfish oder Neviss mit eingebunden waren. Helden waren sie, Helden waren wir. „Wir“, das sind die jungen Goofen oder Teenies gewesen, in deren Blick arrogante Szenies oder etablierte Hochnäsige gar nicht vorkamen. Diese Daten, Namen, Geschichten, die liegen nun schon ein paar Jahre zurück. Vorbei die Zeiten mit den Treibhaus-Partys, wo die 13-Jährigen reinliefen und sogar Securities regelmässig patrouillierten. Das Publikum ist älter geworden.

Zurück in die Zukunft Der Backflash an der EP-Plattentaufe von Augustine’s Suspenders in „meine Teenagerzeit“ war gerade deshalb gewaltig. Regelmässig frage ich mich, wo sie denn sind, die jungen Bands? Und überhaupt, die jungen Konzertgänger? Jene Generation nach der unsrigen. Verwundern täte das Verschwinden der „Jungen“ nicht. Die Arroganz, welche Konzertbesuchern niedrigeren Alters entgegengebracht wird, ist eine Frechheit. Frech und wild sind sie – Waren wir das nicht auch in dieser Zeit? Hätte ich das damals so wahrgenommen, ich hätte mich vielleicht woandershin konzentriert. Aber in den letzten paar Wochen schien der Aufwind wieder zugenommen zu haben: Bei den Punkern von Face The Front sass ein noch nicht Zwanzigjähriger hinter den Trommeln und im Publikum tanzten ebenfalls „Teenies“ (und der Begriff soll überhaupt nicht negativ aufgefasst werden) mit der Intensität, wie ich sie von meinen jungen Tagen kannte. Ein ähnliches Bild bot sich an der Plattentaufe von Augustine’s Suspenders: Mit One Lucky Sperm eröffnete zwar ein älteres Kaliber den Abend. Trotzdem schienen für einmal Leute wie ich den Altersschnitt zu heben und nicht zu drücken (Verwandte ausgenommen). Super! Tizian haben wir leider verpasst (er möge es uns verzeihen), zum Start vom Circles-Auftritt trudelten wir aber ein. Ihr Indie-Rock erschien ein wenig langweilig und die Bieler vermochten das schwatzfreudige Publikum so gar nicht zu greifen. Trotzdem hellten stellenweise Lichtblicke ihre Setlist auf: Einmal klangen die Gitarren sogar wie bei Sólstafir, einer isländischen Experimental-Post-Metalband. Ich hätte den Jungs eine glänzende Karriere in dieser Musikrichtung vorausgesagt. Trotzdem wurde im Publikum verächtlich das Wort „Schülerband“ gezischt, was nicht ganz ungerechtfertigt war. Auf der Stage wurde schlichtweg zu verhalten agiert. Schade.

Brave Musik, starke Ansätze Anschliessend schloss sich der Vorhang. Bereits im Vorfeld hatten die Gastgeber der Treibhaus-Bühne ein Gerüst organisiert, auf dem eine kleine-feine Streicher-Formation Platz nahm. Und ehe mensch sich versah, stand der Augustine’s Suspenders-Fünfer auch schon auf den Brettern. Im Verlaufe der Show gesellten sich zudem ein Perkussionist sowie ein Gitarrist zu ihnen. Die Jungs haben sich sehr viel vorgenommen, brachten alte und neue Stücke, präsentierten ihren Videoclip zum Song „Benjamin“, produziert vom Baracken Design-Team und holten EP-Götti Tobi Gmür für die Taufe, der sogleich eine gelungene Rede präsentierte (O-Ton: „Wir verspritzen den Champagner aber nicht, denn hier liegt Equipment im Wert von 17‘000 Franken rum“). Soviel Engagement ist fantastisch, braucht aber auch Zeit. Und diese fiel mit ihrer Länge von über zwei Stunden aus dem Rahmen. Die Konzentration der Zuhörer liess nach, sodass am Schluss der Saal nur noch von wenigen Hartgesottenen besiedelt wurde, weshalb die Band auf Zugaben verzichtete. Musikalisch liess sich der Abend in etwa so beschreiben: Die Ansätze stimmen, doch noch wirkt das alles ein wenig brav. Natürlich, Spass haben auf der Bühne, das können sie, die Suspenders. Doch wer, wie in der Crowdfunding-Kampagne als Ziel angegeben, auch starke Emotionen à la Wut in seine Musik packen will, der muss doch eine Runde mehr Gas geben. Selbiges war auch bei den Songs zu bemerken: Oftmals begannen diese unglaublich stark und mächtig (bei drei Gitarren + Streicher kein Wunder, siehe Video), brachen dann aber im Verlauf plötzlich ein und liessen Höhepunkte vermissen. Schade um das Songpotenzial. Gleichzeitig aber toll für die Luzerner Musikszene, weil da bestimmt noch einiges passieren wird. Bei einem Durchschnittsalter von knapp 19 Jahren können wir uns also freuen. Auf starke Mucke. Und hoffentlich auf eine neue Generation junger Musikfreaks, wie wir sie waren und sind.