B-Sides, bleib wie du bist!

Einmal mehr: Ein mutiges Programm, das sich auszahlt. Wer am Wochenende das B-Sides-Festival auf dem Luzerner Sonnenberg besuchte, wurde nicht mit Wohlfühlmusik berieselt, sondern ging mit einer Handvoll Neuentdeckungen nach Hause – etwas verstört vielleicht, aber in der Regel zufrieden. Die fünfte Ausgabe brachte wieder zwei fast regenfreie Tage und von Jazz bis Hardcore die ganze Palette. Beeindruckt war und ist:

Man durfte dieses Jahr vom B-Sides noch mehr erwarten als in den letzten Jahren. Dies, weil nach der endlich regenfreien letztjährigen Ausgabe etwas Geld übrig blieb und man sich den einen oder anderen grösseren Namen leisten konnte. So etwa These New Puritans, Micachu & the Shapes (beide UK) oder Xiu Xiu (USA). Wer deswegen ein bekömmlicheres, ja mainstreamigeres Programm erwartete, sah sich getäuscht. Hoffentlich auch. So ist es einigermassen verwunderlich, wenn in der «Neuen Luzerner Zeitung» vom Montag kritisiert wird, das B-Sides-Programm sei kopflastig und wenig zugänglich. Da wird doch glatt ignoriert, um was es bei diesem Festival seit nunmehr fünf Jahren geht. Und man könnte bei dieser abstrusen Forderung meinen, das B-Sides sei die Regel und mainstreamige, beliebig programmierte Open Airs die Ausnahme. Die 2000 Leute, die am Freitag und Samstag auf den Sonnenberg pilgerten kamen doch genau, weil sie wissen, worum es geht und auf was sie sich einlassen. Weil sie wissen, dass da sehr subjektiv und ohne auf den Massengeschmack zu schielen Bands gebucht werden. Weil sie wissen, dass sie die Hälfte der Bands nicht kennen, vielleicht auch die Hälfte nicht wirklich mögen, sich aber auf dieses Abenteuer einlassen. Weil da keine hässlichen, werbebeschrifteten Plastikzelte stehen, sondern liebevoll in zighundert Stunden von Künstlerhand angefertigte und gestaltete Holzobjekte. Wer ein genormtes Programm fordert, verkennt die Idee des B-Sides – eine erfolgreiche Idee notabene. Zur Musik: These New Puritans wurden den Erwartungen live nicht gerecht. Die Stimme von Sänger Jack Barnett versagte in den entscheidenden Momenten und die dunkle und düstere Dynamik ihres grossartigen, kürzlich veröffentlichten Albums blieb aus. Die unglaublichen Bässe nervten mit der Zeit, einzig die zwei Bassklarinetten sorgten für ein wohltuendes Tüpfchen. Das Duo Xiu Xiu brachten echte Energie auf die Bühne, waren wild, verspielt und überzeugend. (Diese Meinung teilen viele Besucher nicht.) Micachu & the Shapes, die äusserst originelle Truppe um Mica Levi, brachte ihren zwirbligen Pop auch nicht so auf die Bühne, wie von ihrem Tonträger zu erwarten war. Aber dennoch: Musik, bei der es sich lohnt auszuharren. Verspielt und alles andere als zugänglich. Aber kopflastig? Mitnichten. Es bleiben einige weitere (ausgewählte) Highlights: Rusconi, das Zürcher Jazztrio beispielsweise, von dem hier schon die Rede war, bevor sie Sonic Youth spielten. An Kontrabass, Flügel (den die Organisatoren eigens auf den Berg karrten, wo gibt's denn sowas?) und Schlagzeug rockten sie mehr, als jede Stromgitarre. Gablé, drei durchgeknallte, äusserst sympathische Franzosen. Mit Akustikgitarre, Flöten, zerknirschenden Holzkisten und vielem Anderem waren sie mehr Punk als jede Stromgitarre. Filewile mit der famosen Sängerin Joy Frempong brachten das Zelt zur späten Stunde am Freitag ins Schwitzen. Und Menomena natürlich, die am Samstagabend das epische Moment mit grossartigen Melodien auf den Hügel zauberten. Und viel hat man verpasst oder nur aus der Entfernung gehört – den pakistanischen Musiker Babar Luck etwa, der alleine an der Gitarre unermüdlich seine Mission verbreitete. Oder Three Trapped Tigers oder Knut. Das Kulturmagazin hatte ja schliesslich auch einen Stand zu betreiben. Und das wunderbare Essen lockte ebenso wie ein gelegentlicher Abstecher zum Fernseher für die WM-Spiele. Und all die Leute erst, die man seit Ewigkeiten nicht mehr getroffen hat. B-Sides, bleib wie du bist und bring die Musik, die du willst. Ich zähl auf dich!

Impressionen – eingefangen von der Kulturmagazin-Kamera in nicht-chronologischer Reihenfolge: (Mehr Fotos gibt's hier und Videos hier)