Auch ein Berg hat seine Würde

Altes Gymnasium, 10.10.2015: Das Theater Sarnen beim Versuch, ein Stück über die Region und ihre Bewohner zu machen. Das Ganze aufgehängt an einen fiktiven Berg und einer Geschichte, die einem ihrer Meinung nach kein Mensch glaube.

(Fotos Erika Reiser)

Das Prolog-Double des Schwandmatt Toni, Bruno Imfeld, kam auf die Bühne und erzählte von der Geschichte des Berges Stockhubelhorn, dessen Umwandlung in ein Naturschutzgebiet, sowie das Vorhaben eines Chinesen, den ganzen Berg zu kaufen und mitzunehmen. Das Ganze in einer Ehrlichkeit und Bodenständigkeit, dass man alles um sich vergass und bereit war, sich dem Stück hinzugeben. Heraus kam ein Konflikt mit dem querulantischen Schafbauer Schwandmatt Toni, der mit seiner osteuropäischen Frau Yelena am steinschlägigen Berg oben lebte, welche wiederum an der Seilbahn herumflickt. Dazu kamen ein Nationalrat, der den Chinesen Mr. Cheng dabei hatte, welcher den ganzen Berg aufzukaufen drohte und eine Stiftung, die für das Naturschutzgebiet viele Millionen zahlen wollte. Als Nebenhandlung wurde eine Familiengeschichte an Kletterseilen eingeflochten, die von Pubertät, Beziehungslasten und Scheidung erzählte, aber nie so recht erklärte, wieso sie auch noch mit an den Berg gehängt werden sollte. Die eigentliche Figur, um die sich das Stück drehte, war ohnhin Yelena, feinfühlig gespielt von Mia Isenegger. Befreundet mit dem Murmeltier, bezwang sie den Wolf, verteidigte jenen aber vor ihrem schiesswütigen Mann und verband so die Welten. Überhaupt, die Wolfsbezwingung: eine ungeheuer spannungsvolle Szene, die durch die Mimik von ihr, Murmeli und Wolf am meisten hergab. Mit ihrem gebrochenem Deutsch und ihren Kopftüchern merkte man gleich, dass Yelena nicht von hier war, aber irgendwie genau da hingehörte. Von ihr kam auch die philosophische Lösung, wie man die Geschäftsbegehren vom Berg vertreiben könnte: Wenn man eine Geschichte immer und immer wieder erzählt, würde sie wahr werden. So griff sie jene vom Berggeist auf, der kurz darauf erschien. Ob er nun wirklich war oder ob gar der Bauer seine Finger im Spiel hatte, wurde zum Mysterium. Damit konnte man wohl auch die etwas kraftlose Darstellung des vermeintlichen Protagonisten und die Überstrapazierung an Liedergeschichten kaschieren.

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Das Ganze wurde übermalt von der Musik Christov Rollas, der das Komponieren von passender Theatermusik wirklich im Griff hat. Auch lernten die Schauspieler und Schauspielerinnen von ihm viel an gesanglichem Können. Gitarre, Bass und Schlagzeug harmonierten herrlich zu dem Stück, doch leider waren die Lieder zu viele und ihre Verteilung unglücklich. So gut, wie sie waren, rissen sie einem irgendwann aus der Geschichte. Dann sollten das Murmeltier (Barbara Kaiser) und der Wolf (Laurin Moor) noch philosophische Gespräche führen. Die beiden lebten von der grossartigen Mimik und dem Spiel zwischen Mensch- und Tier-sein. Das Gespräch bezog sich aber darauf, dass das Murmeltier den Wolf auf unterhaltsame Weise überzeugen wollte, in der heutigen Zeit kein Wildtier mehr zu sein. Kurzum, der Wolf griff das Murmeli an und Toni bekam ihn doch noch vor die Flinte.

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Immer wieder wurden Themen der heutigen Zeit eingemischt, doch meist glich das eher einem Topf voller Ideen, ohne einen wirklich vertieften Hauptteil. Am Ende ist der Schwandmatt Toni ein sturer Kopf geblieben, indem er mit allen Mitteln seine Besucher loszuwerden gedachte, und die Natur bewies ihre Überhand. Ob man damit zeigen wollte, dass eben jene nicht bezwingbar ist oder ob man absichtlich eine «Bauernlösung» erfand, um dem Stück ein «Das Problem schieben wir ab»-Ende zu geben, weiss man nicht recht. Eines hat das Stück jedenfalls erreicht: Man setzt sich immer wieder neu mit seinem Inhalt  auseinander.

Weitere Vorführungen: 14., 16., 17., 21., 23., 24., 25., 28., 30., 31. Oktober & 1., 4., 5., 6., 7. November