Antreten auf dem Gemeinplatz - Biedermanns.umgezogen im Luzerner Theater

100 Jahre Max Frisch – Annahme der Minarettinitiative. So lässt sich die thematische Ausgangslage des aktuellen Theaterstücks von Gisela Widmer im Luzerner Theater umschreiben. Ein satirischer Abend nach Art des schwarzen englischen Humors wurde versprochen, herausgekommen ist ein Stück, das die gängigen Ansichten zu Islam und Kulturrelativismus einfängt. Der Abend bewegte sich auf der sicheren Seite, Tiefe oder neue Denkansätze waren spärlich gesät.

(Bilder: Ingo Höhn/dphoto.ch)

«Biedermann und die Brandstifter. Ein Lehrstück ohne Lehre», an der grossen literarischen Inspiration von Max Frisch kann es nicht gelegen haben. Die würde inhaltlich viel hergeben. Die gestern präsentierte Bühnenfassung «Biedermans.umgezogen» (Regie: Hannes Rudolph) hat wenig mit dem Original gemein. Dies war auch nicht die Absicht von Gisela Widmer. Herr Biedermann (glaubwürdig von Walter Sigi Arnold gespielt) wird auf der Höhe der Zeit dargestellt, das Feindbild ist in Form des linken Gutmenschen up to date. Ist es bei Frisch der Bourgeois, der wenigstens am Feierabend nicht als spiessiger Unmensch gelten will, so ist es bei Widmer der arrivierte Linke, der sein petit-bourgeois-Wesen mit falsch verstandener Toleranz und Weltläufigkeit überspielen will. In diese Kerbe zu hauen, ist nicht neu: Dieser Typus des «Linken» ist spätestens seit dem Zerfall der bipolaren Weltordnung und dem zunehmenden Wohlstand eine weit verbreitete Erscheinung und – entre Parenthese – ein nicht zu unterschätzender Grund für den Erfolg des Populismus von rechter Seite.

Als Herr Biedermanns Bruder (Jörg Dathe) sich nach langer Zeit wieder meldet und den Eheleuten Biedermann offenbart, dass er zum Islam konvertiert sei, bekommt Ehemann Biedermann die Steilvorlage, sich als toleranter, verständnisvoller Zeitgenosse ins beste Licht zu rücken: Er will zuletzt mit dem rechten Schmudelecken in Verbindung gebracht werden. So beginnt ein Schlagabtausch in vertrauten und ausgetrampelten Pfaden, ohne dabei auf der Wegstrecke neue Ansichten zu erlangen. Alter Wein in neuen Schläuchen. Die Bühne (Tobias Schunck), die gute Stube der Biedermanns vor der Silhouette Luzerns, ist derart angelegt, dass die Schauspieler nur schablonenhaft – ohne Ecken und Kanten – auftreten können. Und in diesen abgesteckten Schablonen und Gemeinplätzen wird am Theaterabend selbst die Diskussion vorweggenommen. Meistens in kreativen Wortspielen, die aber grosso modo vorhersehbar bleiben und allzu oft an der Grenze des Erträglichen repetiert werden. Komisch und zwiespältig ist hingegen der Feuerwehrmann (der als Einzelmaske die Funktion des Chors übernimmt), schneidig von Samuel Zumbühl gemimt, der als einziger, die Zeichen der Zeit erkannt hat und langsam aber stetig selbst Feuer legt ... Beim Premierenpublikum kam das Werk sehr gut an, immer wieder wurde zwischen einzelnen Szenen geklatscht.

Bis 21. Mai im Luzerner Theater