Altin Gün, Pübliküms-Fün

Südpol Kriens, 23.02.2018: Endlich! Altin Gün feierten nach der krankheitsbedingten Konzertabsage im Juni 2018 nun doch ihre Luzern-Premiere. Doch erschien Band nicht wirklich fit – dafür war der ausverkaufte Saal ein Hit. Und was blieb sonst noch vom Gig? 

Bilder: zVg / Stoph Ruckli

Eine junge Band spielt alte Heimatmusik-Klassiker im neuen Gewand. Tadaaa, das Erfolgsrezept von Altin Gün steht. Gegründet wurde die türkisch-holländisch-indonesische Formation 2007 durch den Amsterdamer Bassisten und Plattennerd Jasper Verhulst, der über ein Inserat Mitmusiker*innen suchte, um anatolischen Rock der 60er und 70er zu spielen. Der Plan ging auf: Erdinc Yildiz Ecevit (saz, voc, keys) und Merve Dasdemir (voc) brachten das orientalische Flair in die Gruppe, welche mit dem Briten Ben Rider (g) sowie den niederländischen Musikern Gino Groeneveld (perc) und Nic Mauskovic (dr) vervollständigt wurde.

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Innert kürzester Zeit erarbeitete man sich ein Repertoire an Covers und Eigenkompositionen, inspiriert von türkischen Volksliedern und geprägt dank Namen wie Selda, Barış Manço und Erkin Koray oder Neşet Ertaş, dem «türkischen Bob Dylan». Mit dem Einstieg des Genfer Labels Bongo Joe Records, welches auf unkonventionelle Underground-Perlen spezialisiert ist, ging's dann schnell: Nach der Veröffentlichung der Platte «On» folgten Auftritte an Entdeckerfestivals wie dem Primavera Sound in Barcelona und (natürlich) der Düdinger Bad Bonn Kilbi sowie Webpräsenz, beispielsweise mittels einem KEXP-Showcase. Inzwischen touren Altin Gün, zu deutsch «Goldener Tag», durch die ganze Welt und bringen ein bunt gemischtes Publikum zum Tanzen.

Eine solche Besucher*innenschar war auch im ausverkauften Südpol anzutreffen: Dort fand sich eine stolze Zahl an Türkinnen und Türken mit weiteren neugierigen, im Schnitt jungen Zuhörer*innen sowie den üblichen Luzerner Szenies wieder, die Punkt 22.15 Uhr alle zusammen ein schräges Intro aus den Boxen erlebten. Dieses hätte zu einer Reisebüro-Werbung über einen Türkei-Urlaub gepasst, wobei lediglich die Stöhngeräusche einer Frau das  Bild leicht zu brechen vermochten. Und endlich traten Altin Gün auf die Bühne. Das Fest konnte beginnen. Was es tat – aber wo? 

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Das Sextett machte vor allem zu Beginn einen verhaltenen Eindruck: Ecevit und Dasdemir brachten kaum eine Regung im Gesicht zustande, im Gegensatz zum Groove-Trio, das in bester Stimmung war; allen voran Bandgründer Verhulst, der wie ein Aal zappelnd schlicht als eine Wucht am Bass erschien und dank seinem Boxhandschuh-ins-Gesicht-Sound begeisterte. Zusammen mit Perkussionist Groeneveld und dem neuen Drummer Daniel Smienk bildete er so die treibende Kraft des Altin-Gün-Sounds, die den Boden für die funky bis psychedelichen Licks, Melodien und Patterns der anderen Bandhälfte bildete.

In der Summe erschien das, was auf der Bühne geschah, so zwar unglaublich tight und eingespielt. Aber es fehlte die Lust. Da wurde ein Programm abgespult, welches man 1:1 ab der LP hören und auf Youtube anschauen kann. Die grösstenteils gecoverten Stücke sind zwar toll arrangiert sowie aufgefrischt und gefallen mittels einer guten Dramaturgie. Punkto Dynamik gab es aber nur Forte und Mezzoforte. Nichts darunter, nichts darüber, zumal weiter die Schlüsse alle gleich funktionierten: nach dem Chorus erneut ein paar Takte Verse-Groove, tätsch, bäng, Merengue, aus die Maus. Und die Improfenster, wo Altin Gün hätten scheinen können, wurden im Kleinformat belassen und blitzschnell wieder zugeklappt. Immerhin: Gen Ende tauten alle Beteiligten der türkisch-holländisch-indonesische Truppe auf und es gab doch noch etwas mehr Action auf der Bühne.

Und das war der Zuhörer*innenschaft zu verdanken: Was gerade die türkische Community im Publikum für eine Party feierte, liess die musikalisch höchstens mittelmässige Show aufleben. Gecoverte Hits wie «Goca Dünya» wurden derart inbrünstig mitgesungen, dass Dasdemir stellenweise ihre Gesänge aussetzte und den Saal singen liess. Dieser reagierte mit Jubel und tanzte, als ob es kein Morgen gäbe, wobei nicht wenige Nicht-Türkinnen und -türken probierten, wenigstens ansatzweise die erspähten Volkstänze nachzuahmen. Solche Szenarien sind möglich, weil ein Land wie die Türkei, eine grosse, spannende und stolze Musiktradition mit sich bringt und diese durch seine Emigrationsgeschichte in die Welt getragen hat. Musik verbindet und erinnert an die Heimat, gerade im Ausland (übrigens weist der Schweizer Ländler eine ähnliche Geschichte auf, aber das ist ein anderes Thema). 

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So rettete im Endeffekt das Publikum die Band. Altin Gün dankten es mit ausgiebigem Fan-Service im Anschluss an das Konzert beim Merch-Stand. Ein «Goldener Tag» für die Zuhörer*innen, welche sich diesen auch ordentlich verdient hatten an jenem Abend.