«Alte Meister» wider den White Cube

Nidwaldner Museum Winkelriedhaus, Stans, 09.02.2017: Die Ausstellung im Stanser Winkelriedhaus zeigt eine Auswahl von Werken alter Meister, die der Frey-Näpflin-Stiftung gehören. Deren Sammlung durfte das Nidwaldner Museum kürzlich als Dauerleihgabe entgegennehmen.

Der Hauptteil der Ausstellung befindet sich im Pavillon, in dem normalerweise zeitgenössische Kunst gezeigt wird. Nun ist er aber – ganz «unzeitgenössisch» – beinahe wandfüllend mit 201 Werken bestückt, die vornehmlich aus dem 17. bis 19. Jahrhundert stammen. Schnell sind hier bekannte Motive zu entdecken, seien es solche aus dem breiteren Repertoire des Abendlandes – religiöse Sujets, Landschaften, Porträts und Genrebilder – oder solche mit eindeutigem Lokalkolorit. So ist die Krienser Rengglochschlucht, gemalt um 1850 von Jakob Joseph Zelger, zu entdecken, eine alte Nidwaldner Stube, festgehalten von Aloys Fellmann, oder auch eine Trachtenfrau, porträtiert von Hans von Matt senior um 1900. Heterogen ist, neben Stil und Sujet, auch die Qualität der gezeigten Kunst. Der Kitsch eines Alpenglühen von Alois Arnegger hat aber im Ensemble den durchaus erhebenden Effekt, die Ernsthaftigkeit zu relativieren, zu der mancher Bewunderer hoher Kunst sich verpflichtet zu fühlen meint.

Impressionen aus der Ausstellung

Netz von Bezügen

Die historische Salonhängung im Pavillon lädt so gerade das an der postmodernen Bilderflut geschulte Auge ein, selber Bezüge herzustellen. Die Höhe der jeweiligen Hängung, das Genre, das Format oder der Rahmen geben manchmal auch Verbindungen vor. Zum Beispiel ist die Serie Christus und die zwölf Apostel von Rubens und seiner Werkstatt auf der exakt selben Höhe aller vier Wände verteilt. Oder die von einem Nachfolger Rubens' gemalte Herzogin Isabella Clara Eugenia so platziert, dass sie ihrem Gemahl, dem Erzherzog Albrecht VII. von Österreich, übers Eck in die Augen schaut. Andere Bezüge sind weniger eindeutig. Ein Irritationsmoment findet sich etwa bei zwei kleinen, oval gerahmten Porträts des Stanser Malers Melchior Paul von Deschwanden: Im gleichen Kleid, derselben Körperhaltung und mit der exakt identischen Frisur schauen hier zwei Mädchen aus ihren Rahmen – oder ist es dasselbe Mädchen, von deren Porträt der Maler lediglich zwei Versionen angefertigt hat?

Impressionen aus der Ausstellung 2

Kein klinisch geführter Diskurs

So führt die Hängung dazu, dass sich weder der Blick noch die Assoziationen in einer linearen Abfolge erschöpfen. Vielmehr bewegt sich das Sehen in alle Richtungen, dreht sich horizontal um sich selbst, wechselt vertikal in verschiedene Sphären und springt diagonal unwillkürlich zwischen Nahe- und Fernliegendem umher. Ermüdend ist dies trotz der Fülle der präsentierten Werke, ergo der möglichen Aufenthaltsdauer, nicht. Im Gegenteil: Das Auge ist hier aktiver als in gewissen «modernen» Präsentationen, in denen es weniger um die physisch beeindruckende Präsenz der Werke, als um thematisch fein säuberlich sortierte Didaktik geht. Es dürfte sich für Interessierte daher lohnen, noch bis am 7. Mai nach Stans zu fahren – denn danach «verschwinden die Kunstwerke wieder in den museumseigenen Depots, um fortan nur noch einzeln oder in thematischen Gruppen präsentiert zu werden».

Veranstaltungen:

Mittwoch, 8. März, 18.30 Uhr, Führung mit Claire Hoffmann und Eva-Maria Knüsel

Sonntag, 9. April, 13.30-17 Uhr, Festival mit Musik und Performance von Quartett PLUS 1, Samia von Arx, Anna Herrmann und Stephanie Hess