Alte Dame, unbekannt verzogen

Soll man lachen? Lamentieren? Prozessieren? Egal, denn es hilft alles nichts: Mit dem Rückzug der Geldspende ist die Salle modulable tot. Zeit, sich in Luzern der Zukunft des Theaters zu widmen.

Die 120 Millionen Franken sind weg. Und jeder Funken an Empörung, den man über den Rückzug der Spende für die Salle modulable empfinden kann, ist berechtigt. Über die Tatsache an sich, über ihre schnippische Mitteilung zur Ferienzeit, und natürlich über die freche Nonchalance einer Begründung, die nur knapp verklausuliert sagt, dass, wer nicht befehlen kann, auch nicht bezahlt. Ja, so knackig hat der Geldadel die Subsidiarität der Politik schon lange nicht mehr eingerenkt. Seit Juni haben die Geldgeber der Salle modulable Druck auf ihre ausführenden Organe, also auch auf die Politik ausgeübt. Die politische Realität dieses Sommers war SM (nicht wie Salle modulable). Das ist zum Toben und zum Lachen. Und dazwischen sollte man sich in Luzern schon auch fragen, ob man sich doch nicht mit dieser hinterhereilenden Begeisterung hinter die Salle modulable hätte klemmen und drei Jahre lang die Kulturpolitik nach ihr hätte ausrichten sollen. Nach einem Projekt, hinter dem Geld steht, das a) am deutschen Fiskus vorbei jongliert worden ist, das b) in einem amerikanischen, von einschlägigen Anwälten beschirmten Trust liegt, und das c) ganz unmodulabel an eine ganz bestimmte Idee gebunden war und damit an die kulturellen Vorlieben eines einzelnen, wenn auch engagierten Mitbürgers, nämlich des kürzlich verstorbenen Milliardärs Christof Engelhorn. Die Akzeptanz ist weg. Klar, die Salle modulable war ein vielversprechendes Konzept, und mit dem Lucerne Festival hatte es einen Partner, der für eine künstlerische und qualitätsvolle Umsetzung gestanden wäre. Und so leuchten die Durchhalteparolen schon ein, die jetzt ausgegeben werden, denn vielleicht, ja vielleicht sind die Millionen auf dem Gerichtsweg ja doch noch zu holen. Das mag sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Salle modulable ein politisch totes Projekt ist. Abgesehen vom langjährigen Albtraum, den ein juristisches Gefecht über den Atlantik hinweg bedeuten würde, ist es auch völlig undenkbar, dass die Luzerner Bevölkerung an der Urne nach alledem noch Ja sagt zu etwas, das Salle modulable heisst. Was immer die Aufarbeitung der Causa Engelhorn an Erkenntnissen über die Welt der Reichen, an juristischen Kapriolen und vielleicht sogar an Trostpreisen noch bringen mag: Wir reden in Luzern ab sofort nicht mehr von einer Zukunft mit einer Salle modulable, sondern von der Zukunft des Luzerner Theaters. Dessen Stiftungsrat hat anfang Oktober berechnet, dass ein Neubau des Theaters (für 80 Millionen Franken) die beste Lösung sei. Es war zwar offensichtlich, dass damit bloss das politische Terrain dafür vorbereitet wurde, dass sich Stadt und Kanton und entgegen langjähriger Beteuerungen mit Steuergeld an der Salle modulable hätten beteiligen können. Aber jetzt, da sich dieses eigentliche Ziel der im Grunde ja gut getimten Aktion in Luft aufgelöst hat, steht man schon halbwegs im Wort. Und tatsächlich sollte ein Neubau des Luzerner Theaters jetzt geprüft werden. Die gleichen Fragen. Damit waren auch die Diskussionen der letzten drei Jahre nicht für die Katz. Im Gegenteil, sie richten sich jetzt auf ein Ziel, das realistischer ist, als es die Salle modulable je war. Das heisst auch, dass diese Diskussionen erst richtig losgehen: Wo müsste ein neues Luzerner Theater stehen – an der Reuss oder an der kleinen Emme? Wie müsste eine neue Bühne aussehen, und was soll sie können? Braucht es noch den Dreispartenbetrieb mit seinen festen Ensembles, oder welche Rolle kann die freie Tanz- und Theaterszene spielen? Welche Rolle soll das Lucerne Festival im Musiktheater spielen? Wie soll das Theater mit der Kunst- und der Musikhochschule zusammenarbeiten? Das Projekt ist ein anderes, aber die Zukunft ist die Zukunft und bleibt verhandelbar. Die Fragen sind die gleichen. Die Partner sind es auch. Mit der Ausnahme dieser alten, unbekannt verzogenen Dame.

(Bild: Projektstudie Stiftung Salle modulable). Artikel erscheint im Kulturmagazin November 2010