The Album Paranoia

Südpol Kriens, 30.09.2016: Das Konzert von Ulrika Spacek war ein Zeitsprung und zugleich die Überraschung des Jahres. Psychedelischer Garagenrock vom Feinsten.


Man fühlte sich, als wäre mit dem Eintritt die Zeit zurückgedreht worden. Als hätte man einen Sprung in die 70er- oder 80er Jahre gemacht. Ulrika Spacek spielen heute Musik, die Nirvana damals massentauglich machte. Aber sie bleibt ihrer Kreativität verschworen: So ist das Resultat ihrer Auftritte nicht einfache, sondern spannende Musik. Möchte man diese beschreiben, sie in eine Schublade stecken, so umschreibt sie melodiöser alternativ-psychedelischer Garagenrock am treffendsten. dsc_0150

Ulrika Spacek ist eine junge Band: Vor zwei Jahren gegründet, besteht sie aus drei Gitarristen, einem E-Bassisten und einem Schlagzeuger, die gemeinsam in tiefe, «spacig-ruhige» Sphären abtauchen. Doch was die Band den ganzen Abend auszeichnete  war, dass sie immer genau die richtige Länge fand, in diesen Sphären zu verweilen, sie dann wieder verliess und mit astreinem Rock beantwortete – Hühnerhaut war garantiert, Ulrika Spacek war eine Droge. Nicht nur die Klänge waren gewaltig, sondern auch die Licht- und Videoshow. Hielt man in den 80ern noch Glasplatten mit Flüssigkeiten dazwischen vor Scheinwerfer, so ist das heute eine Installation, bestehend aus digitaler Kamera und Filtern. Der Zeitsprung fühlte sich aber auch hier genauso echt an. Zum einen waren die projizierten Bilder Nahaufnahmen der Musiker und wie sie spielten, zum anderen zusammengeknüpfte Wege aus Google Maps. So schien es zumindest. Die Liveaufnahmen wurden mit farbigen Filtern vermischt und wirkten, als hätte man zu lange in die Sonne geblickt. Der kleine Museums-Röhrenfernseher, auf dem die Bilder überwacht wurden, sagte schon einiges über die Show aus, welche als Installation auch gut in einem Centre Pompidou denkbar gewesen wäre. dsc_0146

Im kleinen Raum des Südpol-Clubs waren fünf Mann auf der Bühne und etwa zehn Leute im Publikum. Der einzige Grund, weshalb so wenige der Gruppe zuhörten, war nicht die Band oder der Veranstaltungsort, sondern es waren ganz simpel die Leute, denen man wohl erst sagen muss, was gut ist, bevor sie aus ihren Höhlen gekrochen kommen. Man sagte mir, in Rezensionen nicht in der Ich-Form zu schreiben. Für diese Band und die Südpol-Clubkonzerte breche ich mit dieser Regel: Müde wie ich war, hatte ich eigentlich überhaupt keine Lust auf dieses Konzert. Doch die Veranstaltung war mir jede Sekunde wert: Ulrika Spacek ist für mich die Entdeckung des Jahres. Zwar wäre ich glücklich, wenn die Clubkonzerte im Südpol ein Geheimtipp blieben, aber sowohl die Band – als auch der Veranstalter – haben mit diesem Konzert bewiesen, dass sie nicht nur mehr Publikum verdient hätten, sondern tatsächlich jeder etwas verpasst hat, der gestern nicht da war. Am 4. Oktober spielt die Band nochmals in der Zukunft in Zürich. Ich werde auf jeden Fall dort sein. Ulrika Spacek? Ein Spektakel.

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