#57 – Neues denken / neues Denken

Literatur hat die Aufgabe, Neues zu denken. Geschichten erfinden, Welten kreieren, die Gesellschaft sowie das Selbst immer wieder neu verhandeln und hinterfragen – dies kann die Literatur. Also machen wir uns daran, in der Literaturpause das Neue zu erkunden. Wir denken neu!

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EDITORIAL
Juli 07/2021

Liebe Leserin, lieber Leser

Literatur hat die Aufgabe, Neues zu denken. Geschichten erfinden, Welten kreieren, die Gesellschaft sowie das Selbst immer wieder neu verhandeln und hinterfragen – dies kann die Literatur.

Also machen wir uns daran, in der Literaturpause das Neue zu erkunden. Dafür konnten wir Judith Keller gewinnen, eine Meisterin des Neudenkens; sie dekonstruiert den Alltag und reizt die Mög­lichkeiten der Sprache so wunderbar aus wie gegenwärtig kaum eine andere Autorin in der Schweiz. Denn was ist Sprache, wenn nicht ein Spielplatz neuer Ideen?

Doch eben jene Sprache ist auch unbarmherzig – denn Neues zu denken ist keine leichte Aufgabe. Claudio Landolt versucht, seinen Bezug zum eigenen Schreiben neu zu denken. Der Autor und Musi­ker zeigt, warum ein weisses Papier Fluch und Segen ist – und warum es trotz allem süchtig macht.

Ein künstlerischer und damit schöpferischer Akt ist auch die litera­rische Übersetzung. Denn diese denkt bereits Vorhandenes neu, und zwar in einem neuen Sprach­ sowie Kultursystem, das anderen Regeln folgt. Georg Gerber setzt sich in einem äusserst lesenswer­ten Essay mit dieser Schöpfungskraft der Translation auseinander. Und er zeigt: Literaturübersetzung kann mehr, als nur Geschichten fassbar zu machen – ohne sie droht eine kulturelle Verarmung.

Die Philosophin und Geschlechterforscherin Geneva Moser unter­ sucht in einem Essay für uns das meistgelesene Buch der Welt: Sie geht der Frage nach, ob ein neues Evangelium möglich ist und wie dieses aussehen könnte, wenn es sich auf aktuelle soziale Fragestel­lungen bezieht. Wer wäre Jesus heute – und wie sähen seine Lehren aus?

Jana Avanzini giesst für uns die Welt jener in Verse, die am liebsten gar keine Veränderung möchten. Und Claudio Näf erzählt von ei­nem jungen Menschen, der sein eigenes Ich verleugnet, verleugnen muss, um nicht aus der Gemeinschaft zu fallen. Er zeigt berührend auf, was überall auf der Welt noch immer passiert, wenn wir uns nicht zu neuem Denken durchringen können. Schliesslich erschafft die Literatur nicht nur Neues – sie verhandelt auch reale Veränderung. Anja Siouda, Luzerner Literatin, wohnhaft in Ville­-la­-Grand, Frank­reich, verarbeitet ihre Eindrücke des vergangenen Jahres und ein Phänomen, das zunehmend in den Vordergrund rückt: das Long­-Covid­-Syndrom und dessen Opfer.

Genauso neu ist erneut die Gestaltung der Literaturpause, für welche die wundervolle Carla Crameri verantwortlich zeichnet. In diesem frischen Gewand wünsche ich Ihnen aufregende neue Gedanken und Anregungen mit unserer Literaturpause.

Herzlich
Pascal Zeder
Redaktionsleiter


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Veröffentlichung
Juli 07/2021

Autor:innen
Jana Avanzini, Georg Gerber, Judith Keller, Claudio Landolt, Nina Langensand, Geneva Moser, Claudio Näf, Anja Siouda

Redaktion
Pascal Zeder (Leitung), Anna Chudozilov, Dominika Jarotta, André Schürmann

Korrektorat
Petra Meyer, Korrektorium

Gestaltung
Carla Crameri