3fach the hard way: Beat Hensler zündet eine Pyro und Beat Schlatter bläst Trompete

Schüür, Mittwoch, 9. Januar 2013: Das Dutzend ist voll: 12x Kiss Ass Award (KAA) kennt nun Luzerns Kulturgeschichte. Ein paar Überraschungen sind auszumachen beim Jahrgang 2012 (auf dieses Jahr beziehen sich die Awards). Sind es auch erfreuliche? Persönlicher Gegencheck mittels längerem Scrollen ans Ende dieses Files.

(Von Dominic Dax)

Again moderierend am Werk sind am Mittwochabend in der geragelt vollen Schüür die Herren Roth, David (JUSO) und Gantner, Andreas (OIV). Sie sind stilecht gewandet, wie es sich gehört, heisst das Motto des Abends doch Roaring Twenties (aka 1920er-Jahre). Ein Schelllack-Grammophon nimmt gut die Hälfte des Bühnenraums ein, wo linkerhand die bewährten Swinging Sponges zum Tuschspielen installiert sind. Das Luzerner Jugend- und Kulturradio 3fach heisst für eine Gala lang «3fac». Geld für ein Deko-h hatte es keines mehr, es ging anderswo hin: So unverfroren exorbitant sind mittlerweile die Moderatoren-Gagen (vor allem von Herrn Roth). Also, der eine mit Schnauz, der andere mit Koteletten und behutet. Letztjahressieger Baba Uslender hat im Gegensatz zu H.B. mit dem Preisgeld ein Video gedreht («M3», Einbruch in eine BMW-Garage in alkoholisiertem Zustand). Den Wanderpreis in Gestalt eines beschrifteten Eisbären hütet bis zum Schluss verdankenswerterweise Evelinn Trouble (ZH). Anic Lautenschlager (JRZ) kommt auf die Bühne, um den 3fach-Werbeblock zu bestreiten, und auch Schlagerfreund und Neo-Stapi Stefan Roth (CVP) wagt sich ein erstes Mal unter die Jugendkultur. Die Tschutti-Legende Paul Wolfisberg (Horw) ist Award-Götti im Fall des Bettmümpfeli-Awards, der an New Point geht. Nicht Stahlberger, die Band, sondern Manuel Stahlberger (SG) tritt als erster Act auf. Grossartig, wie zu erwarten: Drei Kostproben gibt der Mann, der auch auf 3fach gespielt wird, mit «Begegniszone», «Neumarkt» und «Leaving Eggersriet». Dann: Der Negativ-Award «Toro Embolado» wird per Videobotschaft von einem erstaunlich coolen Stefan Gubser (Reto Flückiger) in Empfang genommen bzw. verdankt. Heiterkeit im Saal, als er «Kiss Ass Award» sagt. «Tatort» Luzern gewinnt wegen seiner Jenseitigkeit (Klischiertheit und Kompliziertheit). Und im TV-Zusammenhang wird in der Schüür eine Leiche aktiviert. Es ist Benjamin Gross (so hiess tatsächlich eine Leiche im Luzerner «Tatort»). Ist natürlich nur der Namensvetter, Benji Gross eben, seines Zeichens Urfasnächtler, äh Ur-3Fächler (einst Chef dort). Drei Tage nach dem Schmutzigen Donnerstag kommt übrigens der nächste «Tatort» mit dem sinnigen Titel «Schmutziger Donnerstag», ihr wisst schon, der mit dem Gschtürm um den Zünfte-Boykott; die falschen Zünftler wurden für die Dreharbeiten dann vom Fundus des Luzerner Theaters stilecht eingekleidet.

Der Luzerner Polizeikommandant Beat Hensler lässt es sich nicht nehmen, wiederholt zu erscheinen. Es geht in seinem Beisein passend um den Award für die schönste Nachtruhestörung (Gewinner: Bunker-Sauvage*). Und er ist wirklich für jeden Blödsinn zu haben. Bzw.: Der Coup des Abends wird, dass Hensler mit FCL-Schal und vermummt coram publico sowie in flagranti, wie die Lateinlehrer sagen, eine Pyro zündet. Zwei farbenfrohe Ganzkörpervermummte nehmen anschliessend den Award aus der Hand Henslers in Empfang. In eigener Sache in die eigene Tasche gemischelt wird der «Schönste Sommerbar»-Award, der an das verblichene französische Vogelgehege auf dem Inseli geht. Genau: Sieg nach Mauschelei ohne Gegenstimme wird die Volière. Award-Götti: kein Geringerer als der stets fröhliche Sing-Strassenreiniger J.W. Pause. Nach der Pause rauchen die Herren Moderatoren, Langstielfilterzigarette und Tabakpfeife. Das beste Album wird verraten, so es die dreiköpfige Fachjury selektioniert hat. Adrian Weyermann (ZH) spielt zur Gitarre einen schönen Song, um bald einen Mitmusiker begrüssen zu können. Beat Schlatter hat künstlerisch heimlich diversifiziert, zur Überraschung und Verwunderung der wohl meisten. Denn: Er ist neuerdings auch Trompeten-Wizard, der die irrsten Läufe virtuos zu blasen weiss (ist natürlich ein gelungener Playback-Gag). Der beste Live-Act, vorab in der Horwer Zwischenbühne von den Musikchefs von Schüür, Südpol und Treibhaus juriert, wurde aus fünf Bands eruiert. Für alle gibt’s THC-Gewürze zum irgendwo reinbrösmeln, wirklich gewonnen haben aber GeilerAsDu. Showblock: DAVV (ZH) spielen drei Stücke. Beat Portmann (Emmenbrücke) möchte gar nie einen «Tatort» schreiben. Dafür verfasst er bekanntlich das nächste Freilichttheater auf Tribschen. Auch er darf auf der Bühne rauchen. Es ist Zeit für die Übergabe des Song-Awards (siehe gleich weiter unten). Dann ist schon bald wieder fertig lustig. Nachworte: Objektiv das beste Album des vergangenen Jahres haben Alvin Zealot mit «Flux» abgeliefert. Da sind sich zur Abwechslung mal alle einig, die Fachleute wie das geneigte Publikum. Bei den Songs, die nicht juriert, sondern aus insgesamt 24 Titeln ervotet wurden, könnten sich die Geister schon mal scheiden. Aber eben: Offensichtlich hat die Mobilisierungskraft für Voting-Willige vor allem der harten Fraktion gewirkt. Mit der Folge, dass Cancel the Sky mit «Who Am I» diesmal obenauf schwingen konnten. Es ist harte Ware der Marke Hardcore, auch ein Ausdruck gegenwärtiger Luzerner Musikbefindlichkeit. Und ein Herz für die Landschaft: Eschenbach ist Gründungsort dieser sich in der Szene erst seit jüngster Zeit tummelnden Fünferbande. Alle KAA-Kategorien-Resultate zum Mitschreiben auf einem Haufen:

Bester Song 2012: 1) «Who Am I» von Cancel the Sky 2) «Gedankegäng» von GeilerAsDu 3) «Mentally Retarded» von The Dentals

Bestes Album 2012: 1) «Flux» – Alvin Zealot 2) «Tomorrow Is A Million Years» – Les Yeux Sans Visage 3) «Flöchted» – GeilerAsDu

Bester Live-Act 2012: 1) GeilerAsDu 2) Alvin Zealot 3) Johnny Burn 4) Who’s Elektra 5) Dixxson & Stone Family

Beste Sommerbar: Volière (ohne Mitbewerber)

Schönste Nachtruhestörung: 1) Bunker-Sauvage 2) Industriestrasse-9-Keller 3) Frigorex-Sauvage

Bettmümpfeli-Award: 1) New Point 2) Meile 3) Hänggi Beck

Toro-Embolado-Award 2012: 1) «Tatort» Luzern 2) Marco Liemd – Musikredaktor Radio Pilatus 3) Abriss aller Sitzgelegenheiten Bahnhofsplatz

*Wobei «Bunker» korrekterweise in Anführungen geschrieben werden muss, weil: Es sind auf der Allmend keine Bunker weit und breit zu finden, sondern vielmehr, wenn schon, Ruinen, in denen die Schweizer Armee den Häuserkampf üben konnte. Die Relikte gleich im doppelten Wortsinn stehen da eben immer noch dumm rum, sinn- und zwecklos. Oder eben nicht ganz: Zum Festen sind sie gut geeignet.