10 Jahre Treibhaus!, Teil 1: Mousse acoustique à la confusion

Treibhaus Luzern, 01.05.2014: Das Treibhaus feiert dieses Wochenende sein zehnjähriges Jubiläum. Gestern startete die musik- und menschenlastige Nachttrilogie nach einer ultrakomischen Free-Style-Convention mit den neuformierten Japrazz. Experimentelle Liebschaft oder unglückliche Ehe?

(Von Tiziana Bonetti)

Es ist eine Seltenheit, das Treibhaus so dicht besiedelt zu erleben wie gestern Abend. Ob die ganze Menschentraube aus purer Nostalgie antrabte oder ganz einfach, weil der Event gratis war? Aus welchem Grund auch immer man sich einfand: Belohnt wurde man zu Beginn mit einer spielbeladenen Menge Spass. Auf Improvisationsmodus getrimmt, rappten vier MC`s, was die Satzenden an Reimen zu bieten hatten und liessen das Treibhaus zu Hochtouren auflaufen. Respekt, dass die flotten Rapper bis zum letzten Vers einen kühlen Kopf zum Reimen bewahren konnten. Moderator Ugur leitete durch die verschiedenen Spiele, die mit Beats unterlegt waren. Das Publikum brüllte vor Lachen, wenn die MC`s jede Aufgabe mit eloquenter Bravour meisterten: Sei es das Spiel, bei dem mit bestimmten Adjektiven oder Silben gerappt werden musste, oder wenn es darum ging, ein Wort zu umschreiben, eh… zu umrappen, welches ein «Versuchskaninchen» aus dem Publikum herausfinden musste. Auch beim Spiel «Wer bin ich?» machten die MC`s nicht schlapp und rappten sich von Ja-Nein-Frage zu Ja-Nein-Frage, die sie ans Publikum richteten, zu der auf ihrer Stirn angehefteten Identität vor. Danke Jungs! Wir haben uns alle zusammen bis zum hinterletzten Joggel im Saal köstlich amüsiert!

Japrazz: Rock versus HipHop Nach einer kurzen Durchlüftungs- oder Glimmstängelpause (je nachdem) folgte der Hauptact des Abends: Japrazz live on stage in frischer Zusammenstellung. Am Aufgebot solider Musiker und Instrumente mangelte es keineswegs, aber von Jazzern fehlte jegliche Spur. Vielleicht sollte sich Japrazz unter diesen Umständen besser nach einem anderen Namen umsehen. Schliesslich übernimmt ein neueröffnetes Blumengeschäft auch nicht den Namen «Avia», wenn es seinen Laden ins Lokal einer ehemaligen Tankstelle transferiert… Musikalisch gesehen tat sich bei Japrazz ein riesiges Feld, wenn nicht glatt ein Graben von schweren oder gar unvereinbaren Klangspektren auf: Lyrisch-mystische Gitarrenparts und schwebende Gesänge wechselten sich mit hochexplosivem, teils aggressiven Rap ab. Jedenfalls erschien Frontmann Pablo, «the explosiv entertainer with the furious face», aufgeladener als die an 220 Volt angeschlossenen Instrumente... Dass sich Rap und Rock bei Japrazz in die Haare geraten müssen, erstaunt kaum, wenn man sich die baumelnden Rapunzelhäupter der Gitarristen reinzieht. Klar, Experimente bilden nicht nur den essentiellen Kern für die Begründung neuer Musikgenres, sondern tragen darüber hinaus auch dazu bei, dass es punkto Musik überhaupt zu einer Weiterentwicklung kommt. Dass es erbärmlich wäre, müssten wir noch heute wie Steinzeitmenschen um ein Lagerfeuer tanzen und auf mit Tierfell bespannten Trommeln hauen oder in belämmerte Neandertalerflöten pfeifen, wird wohl kaum ein Musikliebhaber bestreiten. Dennoch erweisen sich nicht zwingend alle Experimente und Symbiosen von Musikern diverser Stilrichtungen als fruchtbringend.

Paralysierende Verwirrung So klingt denn die Musik von Japrazz nach einem Spiel zwischen Antagonisten – eher Rock versus Hip Hop als  harmonische Ehe. Im Publikum jedenfalls stiftete die unbestimmbare Suppe von Klängen bei vielen,  prinzipiell gutgesinnten Hörern paralysierende Verwirrung. Man fragte sich, wen Japrazz mit ihrer Musik ansprechen wollten? Hat es die Band darauf angelegt eine Entente zwischen Homies und brillentragenden Nerds zu bilden? Das Wagnis, das Japrazz mit ihrer Musik eingehen, mag vielleicht geschmäcklerisch anmuten. Dennoch sollte man das Potenzial angesichts so vieler Talente ja nicht unterschätzen. Es kann gut sein, dass die interessanten und facettenreichen Gegensätze von Klängen, die Japrazz vereinen, in den Studioaufnahmen womöglich viel graziler herauszuhören sind und damit anstatt Verwirrung stimmungsvolle Spannung erzeugen.